top of page

Retro Urlaub al Mare Adriatico

Das letzte Vorurlaubsfrühstückspalaver gestaltete sich zu einem Spießrutenlauf der Superlativen. Jede meiner zugegebenermaßen leicht konsumtrotteligen Freundinnen überschlug sich, um die anderen mit ihren Sommerausklangsplänen zu toppen. L. schwärmte von der thailändischen Trauminsel mit anschließendem Wellness Package im Oriental Spa. K. jettet nach Jamaika und okkupiert die Superluxusvilla eines 6-Sterne-Schuppens und S. ist auf die 25 Meter Yacht von Freunden in Antibes eingeladen. Und ich? ‚Italien‘, murmelte ich in mein Croissant. ‚Toskana! Ich liebe diese alten Weingüter mit den unerwartet mondänen Boutique-Suiten und Privatpools‘, kreischte L. ‚Capri ist der letzte Schrei‘, fiel K. ein. ‚Na ja, Lignano‘, gestand ich etwas kleinlaut. ‚Aha‘, kam es gedehnt von S. ‚ist ja krass, das gibt es noch? ‘

Lignano. Kennen Sie sicher. Bestimmt haben Sie dort in ihrer Kindheit auch den einen oder anderen Urlaub verbracht. Als Fernreisen noch in der Ferne lagen. Als es eine Grenze, aber keine durchgehende Autobahn gab und man sich durch das malerische Kanaltal Richtung Meer zwängen musste. Als man sich mitten in der Nacht ins Auto setzte, um der Hitze des Reisetages zu entgehen, vornehmlich weil es damals keine Autos mit Klimaanlagen gab. Als ich klein war, gehörte Lignano zum Sommerpflichtprogramm. Hier war ich als die Reichsbrücke einstürzte, zweimal als Italien Fußballweltmeister wurde und das ganze Land Kopf stand und hier lernte ich meine erste Sommerliebe kennen. Es hielt drei Sommer lang und nach 25 Jahren fand ich ihn auf Facebook wieder. Er schwärmt noch immer davon. Von Lignano natürlich…

Und auch Lignano habe ich kleinkindbedingt nach fast 25 Jahren wieder entdeckt.

Mare Adriatico, nur fünf Autostunden von Wien, hier wo immer die Sonne scheint, das Eis einfach cremiger ist, die Pasta richtig al dente schmeckt, am Lungomare Trieste auf der Poolterrasse des Grand Hotels mit Blick auf das Meer der beste Aperol Sprizz der Welt serviert wird und man shoppen kann ohne Ende. Ob traditionell am Mercato oder bei Missoni und Versace, für jeden Geschmack ist ein Schnäppchen dabei. Überkommt einen nach langen Strandtagen Lust auf Abwechslung, nimmt man einfach den Zug, steigt eine Stunde später direkt an der Piazzale Roma aus und flaniert durch Venedig, macht einen Abstecher nach Triest oder besteigt leger das Motorschiff Europa zur Isola delle Conchiglie und kehrt mit Kübelladungen riesiger Muscheln zurück. Seit ewig und drei Tagen begrüßt die Ausflügler derselbe Kapitän, in Jogginghose, mit knapp 200 Kilo Lebendgewicht, so imposant, dass man sich jedes Jahr fragt, ob er nächsten Sommer noch stolz in mindestens fünf Sprachen die Zeit für die Rückfahrt verkünden wird. Doch er ist da wie ein Fels in der Brandung. Ein Teil von Lignano. Ebenso wie der Coco Bello Mann am Strand, der schon von weitem mit seinem unverkennbaren Vitamina-Ruf lockt und mit dem bunten Strohhut seit Jahrzehnten gleich aussieht. Das ist Tradition. Keine Spur von Hausmeisterstrand. Absolut Retro!

Als wir Freundinnen uns nach unserer letzten Urlaubswoche dieses Sommers alle wieder trafen, stürzte sich K. auf mein neues Badetuch. Fünfzehn Euro am Strand von Lignano, wunderschön und baumwollkuschelig. ‚Mein Gott, was für ein Traum‘, lechzte sie von ihrem kratzigen, viel zu kleinen Polyestermixhandtuch, in irritierenden Bob Marley Farben gehalten, herunter. Es stellte sich heraus, dass die guten Vossenwaren zusammen mit einer Perlenkette, einigen Diamantringen und der gesamten Barschaft einem Einbruch in der abgelegenen karibischen Luxusvilla zum Opfer gefallen waren. L. zeigte sich in unerwarteter Blässe. Auf der Trauminsel herrschte Regenzeit und die mühselig erworbene Sonnenbräune haben ihr die Wellness-Geishas im Spa drei Tage lang mittels sündteuren Peelings konsequent wieder vom Körper geschrubbt. Nachdem die Straßen Bangkoks ständig von Rothemden blockiert wurden, hatte sie auf Sightseeing verzichtet und das Spa aus Sicherheitsgründen gar nicht erst verlassen. Den Super-GAU hatte S. erwischt. Die Yacht war wohl eine der kleinsten neben all den 100 Meter Kuttern an der Côte d’Azur. Zudem war S. dauerseekrank, was sicher auch damit zusammenhing, dass sich die weiteren anwesenden weiblichen Kleiderständer gegenseitig permanent observierten, ob das eben verzehrte Salatblatt bereits einen Anflug von Fett um die Taille provozierte, frau sicherheitshalber schon das Frühstück verschmähte und den Tag knietief in Martinis begann. Geschüttelt, nicht gerührt, versteht sich von selbst. Die Männer wären am liebsten den anderen Booten mit einem Zentimetermaß an den Bug gerückt und die einzige Abendbeschäftigung bestand darin, von einer Promi-Party zu nächsten zu schippern. Nur Promis waren nie da. Aber selbst wenn Heidi, Kate oder Naomi direkt vor ihren Augen ins Wasser geplatscht wären, hätten die Möchtegern-Glamourgirlies diese durch die dunklen Chanel-Brillen und den Martinischleier nicht von einer Gruppe Blauwale unterscheiden können.

Etwas bedröppelt hörten sich die drei meine Urlaubserzählung von Strand, Pool, Luna Park, Junior Park, Aqua Park, Parco Zoo an, in keinster Weise aufregend, zugegeben, aber recht entspannt. Nun gut, als ich die Story vom braun gebrannten, durchtrainierten Salvataggio zum Besten gab, der eine Schwimmunkundige aus dem Wasser gefischt hatte und ihr mit Mund zu Mund Beatmung wieder Luft in die Lungen blies, hauchte S. sehnsüchtig, dass sie für so ein italienisches Bay-Watch Intermezzo schon mal auf die Schnelle locker einen Liter Salzwasser schlucken würde. Verstohlen fragte mich L. nach der Website des Grand Hotels und ob man da noch rechtzeitig dran wäre, würde man für nächsten Sommer buchen wollen. Fraglich, meinte ich mit einem ungewissen Lächeln...

Keinen Beitrag verpassen

Gratuliere! Blog ist abonniert.

Featured Posts
Recent Posts
Archiv
Join Lili's Facebook
  • Facebook Clean
bottom of page