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Ein Gästehaus für meine Schuhe

Schuhe sind meine Leidenschaft. An Schuhen kann ich einfach nicht vorbeigehen. Schon gar nicht in Amerika, wo es keine Schuhgeschäfte, sondern ganze Schuheinkaufszentren gibt. Aus Selbstschutz habe ich mir zu diesen Palästen Eintrittsverbot erteilt. Irgendwie schaffe ich es dann doch immer wieder, mich selbst auszutricksen, etwa mit der Ausrede, dass die neuesten Asics Laufschuhe in Los Angeles nur die Hälfte kosten und ich blöd wäre, wenn ich in Wien mehr Geld dafür ausgebe. Letztes Mal – auf der Suche nach der Sportabteilung bei Nordstrom – stellten sich mir unvermittelt diese himmlischen Prada Wildleder-Nieten-Pumps zusammen mit silbernen Versace Pailletten-Perlen Ballerinas in den Weg. Das schmucke Pärchen bildete eine unüberwindbare Hürde. Keine Chance sich durchzuzwängen. Noch schwieriger sich zu entscheiden. Soll man auch nicht. Das Leben ist ohnehin voll schwerwiegender Entscheidungen. Soll ich morgens den Wecker ernst nehmen oder mich noch zehn Minuten umdrehen und zu spät kommen, was ziehe ich an, welche Schuhe tragen mich durch den Tag, was soll ich zu Mittag essen, soll ich überhaupt zu Mittag essen, gehe ich mit diesem Langeweiler von Investmentbanker aus oder mit dem zehn Jahre jüngeren Kitesurfer, will ich wirklich noch einen letzten Drink und die Surfboardsammlung besichtigen, soll ich vor Mitternacht ins Bett oder riskiere ich Tränensäcke samt Kopfweh und mache endlich wieder mal durch? Also bitte dann nicht auch noch die schmerzhafte Entscheidung, ob man das Schicksal von Prada oder Versace den Hammerzehen anderer Frauenfüße überlässt. Ich zückte entschlossen meine bereits bedenklich ächzende Amex und entschied, „Ich nehme beide! Man gönnt sich ja sonst nichts …“.

Der bei näherem Hinsehen unverschämt gut aussehende Schuhverkäufer wurde eine Nuance freundlicher und zog meine Karte durch, die er sich zuvor genau besehen hatte. „Where are you from?“, versuchte er mich mit Konversation für die exorbitante Belastung der Kreditkarte zu belohnen. „Vienna“, gab ich gelangweilt zurück. „Oh“, ereiferte er sich, „ich habe zwei Jahre in Wien gelebt“. „Oh really“, schenkte ich ihm nicht wirklich Glauben, „wo denn??“ „In der Krottenbach Straße, und ich erinnere mich an meinen Lieblingsheurigen, der hieß genauso wie Sie“, sprudelte der Schuhgott hervor. Da war ich so was von platt, hat der Schuhkaiser von Amerika doch glatt nur ein paar Ecken weiter von mir gewohnt und seinen G'spritzen beim Buschenschank meiner Verwandtschaft geschlürft! Die Schuhe waren die Investition eindeutig wert, sind sie doch quasi durch einen dieser unglaublichen Zufälle einzigartig geworden.

Als ich wieder zurück in Wien war, wollte mir ein angehender Verehrer, dem meine Schwäche wohl nicht entgangen war, ein paar Sandalen aufdrängen. Dachte er! Schuhe lasse ich mir niemals schenken. Meine Schuhe suche ausschließlich me, myself and I persönlich aus. Außerdem ist ein Schuhgeschenk wirklich sinnlos, ich habe nämlich schon (fast) alle. „Es sind Jimmy Choos“, ließ er nicht locker. „Danke, aber in meiner Notgroschenbox ist immer ein Platz für Jimmy reserviert“, blieb ich hart. „Vielleicht ein paar Manolos als Draufgabe?“, lautete sein letztes Angebot. „Und ein Gästehaus für meine Schuhe … call me Imelda!“, gab ich dem Abgeblitzten einen kleinen Hoffnungsschimmer und stöckelte davon.

Ein Gästehaus für meine Schuhe - Lili Bach Blog

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