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Unmoralisches Angebot


Die meisten Ex-Freunde hat man entsorgt, weil sie mit beiden Füßen gleichzeitig wie eine Elefantenherde im Porzellanladen auf Herz, Seele und Nerven herumgetrampelt sind und die äußersten Grenzen der modernen Beziehungstoleranz überschritten haben.

A. hatte ich völlig grundlos abgelegt. An den Grund konnte ich mich nicht mehr erinnern. Es begann alles mit einem Unfall. Ich lag lädiert da, mein Auto war noch schlimmer dran und A. war der Retter in der schimmernden Rüstung. Schlaksig und hochgewachsen, blondes Wuschelhaar, eine Stimme zum weiche Knie kriegen. A. war wirklich süß. Er brachte mir immer das Frühstück ans Bett. Es gibt diese Ausnahmewunder der Ex-Freunde, die man nicht auf den Mond geschossen hat, die einem nie das Herz in Fetzen gerissen haben, die man aus unerfindlichen Gründen verlassen hat, die man nach Jahrzehnten wieder trifft und sich ohne Schuldgefühle tief in die Augen blickt mit einem Gefühl der Intimität als ob das letzte Mal heute Morgen gewesen wäre.

Auch zwei Jahrzehnte später war A. immer noch süß, nicht mehr ganz so schlaksig aber mit relativ viel Kopfhaar und sehr groß. Bei unserer Wiedersehensumarmung musste ich mich gewaltig nach oben strecken, mein Gehirn brüllte Alarmsignale an meinen Nacken und warnte vor anhaltender Genickstarre. Déjà-vu fou. A. schwebte in einer Mitte des Lebens Krise. Er lud mich schon nach dem Aperitif zu einer baldigen schamanischen Reise ein. Dabei liegt man am Boden nebeneinander, nur Hände und Knöchel berühren sich. „Es ist essentiell, dass man dabei nackt ist“, erläuterte er frei von jeglicher sexueller Anzüglichkeit. „Abgehoben“, war mein unverbindlicher Kommentar. En passant teilte mir A. Rat heischend mit, dass seine Aktuelle zu heiraten wünscht. Massiv. Und die biologische Uhr ihr vorschreibt umgehend Kinder zu gebären. A. sieht sich in die Ecke gedrängt. Er ist liebenswürdig, zuvorkommend, tiefsinnig, witzig, sexy, er ist auch treu, aber nicht einer einzigen Frau. Das liegt nicht in seinem Vorstellungshorizont von einer Ehe. „Ich brauche einfach eine Geliebte, sonst steh ich das nicht durch“. „Nichts neues“, meinte ich, „die Scheidungsrate wäre ohne Teilzeitmätressen vermutlich doppelt so hoch“. „Schön, dass Du das so siehst“, freute sich A., „hättest Du noch Kapazitäten frei?“ „Für die nächsten Monate bin ich ausgebucht“, verkündete ich geschäftsmäßig, „ich lass Dich wissen, wenn sich eine Lücke in meinem Kalender auftut“. Und plötzlich war mir der Grund klar, warum ich ihn damals rechtzeitig verlassen hatte.

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