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Fragen


Fragen über Fragen - Lili Bach Blog

Fragen über Fragen. Weil ich mich gerade frage, was ich am Freitag schreiben könnte, und nach der Woche gedankentot bin, werde ich halt ein wenig vor mich hin schwafeln. Man sagt, das kann ich gut.

Der Spross meint, ich soll über die Masse der Katzen schreiben. Das gibt natürlich schon Stoff her. Bloß wie kommt der Kater dazu, vor der Welt blamiert zu werden, nur weil er zu viel Bauchfell hat? Ist ja nicht so, dass er fett wäre. Ich könnte erzählen, wie himmelschreiend ungerecht die Welt ist, dass ausgerechnet mein Datenhirn, also mein Computer, von russischen Cyberhackern angegriffen wurde und alle, alle, alle meine Dateien verschlüsselt sind, mein Outlook gesperrt ist, sich der Kaspersky Virenschutz aus Verzweiflung selbst deinstalliert hat und die Erpresser vier Bitcoins für Abhilfe erpressen. Aber über den Supermegagau will ich eigentlich heute Abend nicht mehr sprechen. Was gibt es sonst noch zu erzählen? Gute Frage. Mein Balkon wurde gestern unter lebensbedrohlichen Umständen in eine blühende Sommeroase verwandelt. Stundenlang habe ich in der Erde herumgewühlt, der Allergie getrotzt, Bienenangriffe abgewehrt und die Katzen daran gehindert, das China-Gras als Ganzes zu fressen. Sinnlos. Sie haben es gefressen und portionsweise in der Wohnung verteilt wieder hervorgewürgt. Warum leben diese Tiere in meinem Heim? Falsche Frage. Warum haben sie die Gnade mich zu dulden? Warum wollen Menschen, die ich nicht kenne, mit mir auf Facebook befreundet sein? Warum lege ich meinen Poststapel mit Rechnungen in eine Lade, freue mich über die Ordnung allenthalben und wundere mich über Mahnungen? Warum helfe ich Menschen aus der Patsche, die mich hassen? Warum kommt eine Karte aus Sorrent nach drei Wochen immer noch nicht an? Wird das so wie Mr. Collins zweiter Frühling, dem ein Brief von John Lennon erst nach 40 Jahren zugestellt wird, und wo werde ich dann sein? Warum findet über mir eine Party pubertierender Jungsprosse statt, wenn ich einmal vor Mitternacht im Bett sein will? Warum war ich in der sechsten Klasse mit diesem Idioten zusammen? Und vor allem, warum schreibt er mir nach Jahrzehnten eine E-Mail, ob ich mich daran erinnern kann?

All diese Fragen sind rein rhetorisch. Aber warum zur Hölle ist die Scheibenwaschanlage immer noch defekt? Die Werkstatt habe ich vor drei Wochen mit einem umfassenden Reparaturauftrag ausgestattet und seit zwei Wochen frage ich mich, weshalb die guten Leute ausgerechnet vergessen haben, die Scheibenwaschanlage zum Wasserverspritzen zu überreden. Ich könnte natürlich längst nochmals in den 11. Bezirk gepilgert sein, um das zu beheben, nur wann? Schließlich habe ich einen Brotberuf und kann meine Zeit nicht ständig in Werkstätten verbringen. Wer braucht schon freie Sicht? Es hat mich auch keiner gezwungen, Kommunikationswissenschaft und Geschichte zu studieren, ich hätte eine Töpferlehre machen können, Ausdruckstanz oder Atomphysik oder doch Astronaut werden, ach Gott, in Wirklichkeit wüsste ich es heute noch nicht. Oder doch? Eines meiner hunderten Buchprojekte abschließen und veröffentlichen und in einer Hängematte in der Karibik liegen, nahe dem Geld, auf den Cayman Islands.

Da liegt der Hund begraben. Wien liegt nicht am Meer. Wie soll man kreativ sein und einen vernünftigen Satz schreiben, geschweige denn ein Buch, wenn draußen permanent Autos vorbeifahren wie in Le Mans und sich die Mieter der Garage unterhalb die halbe Nacht auf Türkisch unterhalten? Laut. Natürlich. Es sind nette Jungs, aber deren Motorradeinspritzpumpenprobleme und die handytelefonischen Wortgefechte mit deren Freundinnen, die sich vermutlich zurecht beschweren, dass die Garage wichtiger ist als das Liebesleben, blockieren meine Schreibphantasie. Draußen Bazarhintergrundgeräusche, drinnen lachen mich die Vögel lauthals zwitschernd aus. Den Unzertrennlichen ist der Garagenmann und mein Bestseller schnurzpiepegal. Hauptsache, sie können enthemmt kreischen und Dreck machen. Vögel sind übrigens die einzigen Wesen, die mit Futter um sich werfen. Wie in Gottes Namen kam ich auf die Wahnsinnsidee, diese futterschleudernden Schreihälse bei mir aufzunehmen? Ach ja, irgendeine Freundin einer entfernten Bekannten hatte dringend einen Platz für ein eben geschlüpftes Rosenköpfchenpärchen gesucht, und ich war immer schon die Erste beim Hier schreien, wenn es um Probleme geht. Diese abartig süße Vogelart muss paarweise leben. Einer stirbt, ein neuer kommt, so geht das seit dreißig Jahren dahin. Kein Ende in Sicht. Egal. Es gibt wahrlich wichtigere Fragen.

Warum habe ich kein Haus mit Blick auf das Meer? Einiges läuft da grundlegend falsch. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Zuerst den Bestseller schreiben, dann mit dem Cayman Geld das Haus am Meer kaufen. Klingt nach einem Plan. Nur. Geht nicht, weil unter diesen widrigen Umständen ein Bestseller so sicher ist wie ein Sechser im Lotto. Aber man wird ja noch fragen dürfen. Also frage ich den Anbieter einer charmstrotzenden Fischerhütte am Meer in der Bretagne, wie es so mit seinem Steinhäuschen wäre. Er antwortet nicht. Eh klar. Der schreibt gerade einen Roman.

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