Wyatt Earp

Während morgens draußen ein Gewitter tobt, drinnen der Installateur im Bad sein Werk verrichtet und das Internet das macht, was seine Aufgabe ist, also Unmengen an Katzen Postings auf Facebook und Junk Mails in mein Postfach zu verströmen, verabschiedet sich das wahnwitzig-wirre-Wunderding nach zwei Stunden gemeinsam mit dem Duschkopfrepariermann in die unendlichen Weiten des Universums. Kann ein Blitz das Internet töten? Eher nein. Vielleicht hängt das Modem, mutmaße ich, klettere auf die wackelige Haushaltsleiter im Abstellkammerl, wo das Teil röchelnd wie Darth Vader in luftiger Höhe schwebt, und schalte die Verbindung zur Außenwelt aus und wieder ein. Nichts. Ich werde die Hotline von A1 befragen und begebe mich im halbmeterhohen Poststapel auf die Suche nach einer Rechnung, um eine Hotline und meine Kundennummer ausfindig zu machen. Ganz unten, eh klar, ein ungeöffneter Brief von A1. Ich sammle meinen aufgestauten Unmut, halte das Handy schimpftiradenbereit und reiße das Kuvert auf. Darin befindet sich keine Rechnung, sondern ein drei Wochen alter Brief, in dem mir A1 mitteilt, dass sie freundlicherweise mein Internet verbessern und es aus Wartungsgründen exakt heute für ein paar Stunden abschalten werden. Der Unmut richtet sich postwendend gegen mich selbst. Würde ich meine Post regelmäßiger öffnen, hätte ich mir die Panikattacke samt Leiterexpedition erspart.
Im Büro gibt es schließlich Internet. Jedenfalls solange bis die IT Abteilung befiehlt, alle PCs vom Netz zu trennen, weil ein Krypto-Virenangriff vermutet wird, und wir nichts riskieren wollen. Nicht schon wieder. Frustriert mache ich mich vom internetfreien Acker, um mein Auto aus der Werkstatt und den Spross von der Schule abzuholen. Dort parke ich mich in der Kurzparkzone eine viertel Stunde vor Schulschluss ein und warte, bis der herumlungernde Park-Sheriff genüsslich das Strafmandat an das hinter mir stehende Auto geheftet hat. Er nähert sich, grüßt freundlich, tut so, als ob er weitergeht, aber ich weiß: Wenn ich nichts sage, wird er sich blitzschnell umdrehen, aus der Hüfte mit seinem Parksündersensorium auf mein Kennzeichen schießen, und dann bin ich geliefert. Strategisch gewitzt frage ich den Mann wimpernklimpernd, wie ich es anstellen kann, per Handy einen Parkschein für das Kennzeichen meines Zweitautos zu buchen. Sein Blick verfinstert und erhellt sich gleichzeitig. Überglücklich ein Opfer gefunden zu haben setzt er zur Belehrung an. Aha, kein Parkschein? Meine blumig sprudelnde Story, er habe ja gesehen, wie ich mich vor einer Minute eingeparkt habe und dass ich nur zehn Minuten stehen bleiben würde, auf den Spross wartend, kess im Minirock mit chanelroten Lippen an die Kurven meines parkscheinlosen Cabrios drapiert, und im toten Winkel des Internets keine Lösung für mein Mehrfachkennzeichendilemma googeln kann, interessiert ihn Nüsse, ihn, der während einer Amtshandlung keine Augen für eine Blondine hat, die ihren Sportwagen vor seinem aktuellen Delinquenten in eine Parklücke manövriert und dabei zweimal an dessen Stoßstange donnert. Aha, Sie wissen also, dass Sie da stehen bleiben wollen und haben keinen Parkschein ausgefüllt? Das kostet 36,- Euro. Naja, ich wollte Sie zuerst fragen, wie das mit dem Handyparken-SMS und einer anderen Nummerntafel geht. Aber Sie haben keinen Parkschein? Nein. So geht das ewig gleich zumindest fünfzehn Mal hin und her bis ich Wyatt Earp entnervt frage, was ich nun bitte seiner Meinung nach machen soll. Er will, dass ich von unserem unergiebigen Diskutierklub geradeaus in eine Trafik gehe und einen Parkschein kaufe. Unsere Augenpaare schweifen die Straße rauf und runter und selbst dem strengen Gesetzeshüter ist klar: das geht sich in einer Stunde nicht aus. Außerdem brauche ich für 15 Minuten keinen Parkschein, triumphiere ich, es reicht ein Wisch, auf dem ich die Ankunftszeit notiere! Warum ich das dann nicht gemacht habe, wenn ich das eh weiß, gibt der Typ, offenbar aus einer Zahnarztfamilie, nicht auf. WEIL ICH GOOGLE NICHT ERREICHE UND SIE FRAGEN WOLLTE, WIE DAS MIT DEM ANDEREN KENNZEICHEN… aaaahhhh! Nach einer viertel Stunde einseitiger Belehrung und wechselseitigem Widerspruch sind wir beide ermattet. Es hat 35 Grad im Schatten. Wir stehen in der prallen Sonne. In einem Anfall von Erschöpfungsmilde räumt Wyatt mir eine Gnadenfrist von fünf Minuten ein, bis sich der Spross aus der Schule materialisiert, aber dann, wenn er in Ausübung seiner Pflicht wiederkommt und ich immer noch hier stehe, … vollendet er mit bebenden grauen Schläfen den Satz nicht mehr. Die Atmosphäre kommt dem Showdown in der Mittagsstunde am O.K. Corral ziemlich nahe. Bestimmt wäre die Bestrafung zu grausam, um auszusprechen, was der Westernheld von Gottes Gnaden dann mit mir macht. Lebenslange Internetsperre vermutlich.