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Angst im Bauhaus


Mein Freund der Baum | Lili Bach Blog

Wie man zwei Wochen Urlaubsentspannung binnen kürzester Zeit ruinieren kann? Ganz einfach: Man verbringt einen Nachmittag mit dem Spross im Bauhaus. Genau gesagt über 5 (fünf) Stunden. Danach kann man nicht mehr geradestehen und auch keine geraden Satz mehr sagen. Man sucht verzweifelt nach Wörtern und wenn diese Worthülsen an die Oberfläche des aufgeweichten Gehirns gespült wurden, kann man sie nur wiederkäuen und so klingen sie dann auch, zermatscht und unverständlich.

Für das Katzenkratzbaum-Eigenbauprojekt braucht der Spross jede Menge Holz, Schrauben, Gewinde, Nägel, Sisal, Schaumstoff, doppelseitiges Klebeband, einen Tucker, einen Elektroschrauber (der zu meinem großen Erstaunen gleichzeitig ein Bohrer ist), eine Stichsäge und ein paar Rundhölzer. Im Bauhaus gibt es alles. Wirklich. Bloß ist das Bauhaus ein Ort für Männer, die im testosterongeschwängerten Indiana Jones Hüftschwungschritt auf die Pirsch nach Schrauben und Winkeln gehen, sich dabei fühlen wie in einem Brauhaus, und den Ausdünstungen nach, die an einem heißen Sommersamstagnachmittag durch die Regalreihen ziehen, gibt es da keine großen Unterschiede. Zielgerichtet schwenken die ihren Bierbauch einziehenden, möchtegernmuskulösen Hornbach-Männer auf das Stück ihres Begehrens zu, wohl wissend, wo alles seinen Platz hat. Fragt einer einen dennoch versehentlich am Infostand aufgetauchten Regalstreichler nach einer "DF 13, die ovale", wird er freundlich in den dritten Gang rechts geschickt, wo er das gute Stück gleich links auf Augenhöhe findet.

Dagegen bin ich im Bauhaus so verloren, wie der Heimwerker der Nation, Andreas Steppan, in einem Lesezirkel für Kleinbahn-Zusammenbauer und Waldschrate mit Grünem Daumen, die zu Erörterungen über die versteckte Epilepsie in Dostojewskis "Großinquisitor" gezwungen werden. Ich fühle mich singulär minderwertig. Ich habe Todesangst vor dem Bauhaus. Der einzig tröstliche Gedanke ist, dass ich Mr Silvera diesen Bauhausausflug ersparen kann, denn dem Vernehmen nach hasst und verabscheut er Baumärkte zutiefst und aus ganzem Herzen. Nur wissen die Baumärkte dieser Welt das. Und alle in ihnen. Betritt er eine dieser seelenlosen Hallen, setzt sich ihm ein Blaulicht auf den Kopf, und alle starren ihn an. Glückliche Heimwerker, Gärtner und Installateure, begnadete Bastler und selbst die eigentlich immer unauffindbaren Verkäufer nicken einander wissend zu und zwinkern "Das ist er. Er ist wieder da." Anders als alle dort Versammelten kann er eben nicht mit den dort erhältlichen meines Erachtens teils durchaus waffenscheinpflichtigen Maschinen umgehen, und vor allem bereitet es ihm keinen Heidenspaß. Damit ist er aus der Sandkiste ausgeschlossen und wird mit Verachtung gestraft. Erkundigt er sich ohnedies vollkommen verunsichert, ob es einen Schraubenzieher käuflich erwerbbar gäbe, wird er angestarrt, als hätte er gefragt, ob der Papst im Stehen pinkelt. Dem folgt ein Vortrag über die diversen Arten und Größen von Schraubenziehern, wobei "Kreuzschlitz" genussvoll betont wird, was in Mr Silvera ausgesprochen unangenehme Assoziationen mit brunftigen notgeilen Rentnern in Kegelklubs aus Wanne-Eickel hervorruft, die ihre Urlaube auf Phuket verbringen, was man ihm offenbar so sehr anmerkt, dass das entsetzliche Wort mehrmals pro Satz fällt, in Sätzen, die unumwunden zu verstehen geben, dass jemand, der so kompetenzverwaist​ ist, sich nach einem Schraubenzieher ohne spezifische Erörterung zu erkundigen in einer besseren Welt solche heiligen Hallen eh nicht betreten dürfte, geschweige denn an Wahlen teilnehmen.

Mir geht es ähnlich, doch haben wir als Frauen in Bauhäusern einen theoretischen Vorteil: Wir können uns dümmer stellen, als wir sind, bekommen das was wir wollen – ohne angespuckt oder versehentlich mit schalem Bier übergossen zu werden und lange suchen zu müssen – gleich bis zum Auto getragen. Offenbar habe ich an Charme verloren und meine erotische Ausstrahlung am Eingang des Bauhauses abgegeben, jedenfalls will es mir nicht gelingen. Ich schaue so tussidumm wie ich kann, aber das hilft nicht, niemand eilt zur Hilfe. Ich habe keine Ahnung wo was zu finden ist und bin auf die Infostandbauhäusler angewiesen, die sich nie an ihren Infoständen aufhalten. Findet man einen, der sich hinter einer Bretterwand in einer Regalflucht versteckt an einer Leberkäsesemmel labt, verweist er einen an den nächsten Infostand. Dort ist man unter Garantie falsch und wird zum übernächsten Infostand geschickt. Bei der Holzzurechtsägeabteilung muss man einen Wunschzettel ausfüllen, der kleine Mann hinter dem Tresen sieht aus wie eine Mischung aus Harry Potter und Frodo Beutlin. Er erklärt einer vor mir anstehenden Frau, dass sie die gewünschten Maße des Zuschnitts der Plexiglasplatte, mit der sie vor seinem Hobbit-Gesicht herumwedelt, auf den Zettel schreiben muss, dann wird er das schneiden. Aber wieviel kostet es, will sie wissen. Das müsse sie sich selbst ausrechnen, erklärt er ihr freundlich, er schneidet nur. Aber sie ist keine Mathematikerin, schreit sie ihn an, und wird immer unflätiger. Schlussendlich erbarmt sich der Bauhausmensch und rechnet ihr einen Preis von 15,- Euro aus. Dann sind der Spross und ich dran, wir versuchen ihn zu trösten und übergeben unseren Zuschnittzettel. Während der Spross mir noch verklickern will, dass das alles viel einfacher wäre, würde ich ihm eine Tischkreissäge kaufen, was ich strikt ablehne, kommt die Dame mit der Rechenunverträglichkeit zurück, den Filialleiter im Schlepptau, und beschwert sich lauthals über die Frechheit des Mitarbeiters. Nachdem sie luftentleert abgezogen ist, flüstere ich dem Filialleiter, dass die Dame nicht nur nicht rechnen, sondern auch keinen Tau von Benehmen hat, der Mitarbeiter soweit ihm möglich, reizend und freundlich war, was der Filialleiter mit einem Augenaufschlag quittiert, der so viel sagt wie: Ja, ich weiß, es ist heiß…

Während der Spross euphorisch Schrauben in Plastiksackerln füllt, erspähe ich in der Bilderrahmenabteilung ein Glasbild auf dem ein Cosmopolitan, ein Hugo und ein Sex on the Beach Cocktail abgebildet sind. Entschlossen schleife ich die zehn Kilo schwere Beute, ohne genauen Plan, wo ich das Sujet in der Wohnung drapieren könnte, über den Boden des Bauhauses bis zu unserem Wagen, den ich nach zwanzig Minuten des Herumirrens finde, um mich erschöpft darauf niederzulassen. Sex on the Beach, das wär’s jetzt! Und da standen wir noch lange nicht an der Kassa, um herauszufinden, dass die Schaumstoffmatte keinen Code hat und nicht boniert werden kann. Die Kassiererin, die den IQ jedes von ihr betretenen Zimmers automatisch senkt, solange sich etwas Lebendes darin befindet wie ein Philodendron, zählt die Teile am Wagen, fragt sieben Mal, was sie schon gescannt hat und was nicht, und ich denke mir, lass es an mir vorüber gehen, bitte, lass die Dummheit nicht ansteckend sein. Das zugeschnittene Holz ist erst um 17:30 fertig, in einer Stunde, also bringen wir das Erstandene mal nach Hause und machen uns wieder auf den Weg in die Bauhaushölle. Mit den Brettern, die den Kofferraum des Wagens trotz ungewohnt schonender Fahrweise in jeder Kurve zu zertrümmern drohen, sind wir dann nach einem Erholungsboxenstopp im Eissalon zu Hause. Es ist kurz vor acht, als die Stichsäge ihre Arbeit aufnimmt, kurz, Gott sei’s gedankt, denn um 20 Uhr ist Baulärmruhezeit in Wien angesagt, die der obrigkeitshörige Spross einzuhalten gedenkt.

Unsere Kommunikation ist mittlerweile auf dem Niveau von Ungeborenen angekommen, ich mixe die Zutaten für einen feuchten Traum von Sex on the Beach nach dem Rezept auf dem Bild, ziehe mich auf den Balkon zurück, wo der Kater einen grünen Riesengrashüpfer anmaunzt, von drinnen dringen Akkuschraubgeräusche an mein gemartertes Ohr, Alexa spielt „Ich und mein Holz, Holzi, Holzi, Holz“.

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