Ein Tag im Leben eines Supermodels
Der erste Schritt des Tages auf die Waage ist immer der schlimmste und entscheidet über die Laune eines in die Jahre gekommenen Supermodels.
Mist. Knapp über fünfzig Kilo verteilt auf ein Meter fünfundsiebzig. Frühstück ist heute sicher nicht drin. Wenigstens ist die Kinderschar in der Obhut der Nanny. Der Will-Haben-Stress macht mich fertig. Was glauben die Gören eigentlich, wer das Geld für das ganze unnötige Spielzeug heranschafft? Die Kampagnen tröpfeln in den letzten Jahren spärlicher herein. Nun muss man sich als Superstar schon für Milchwerbung hergeben. Als Heidi mit einer Kuh auf der Weide ist wirklich nicht sexy. McDonalds ist auch nicht der große Bringer. Fix, das erinnert mich wieder an die Waage. Was würde ich jetzt für einen Doppel-Whopper geben. Und gerade mal das Astor Face. Dolce, Gucci und die Top Marken bedienen sich der abgemagerten Fünfzehnjährigen. Gisele macht in Bademoden und ich, ehemals Superfrau, entwerfe Schwangerschaftskollektionen. Welchem der PR-Idioten ist das bloß eingefallen? Der junge Lover schläft noch, als ob er das für sein Babyface nötig hätte. Dafür wartet schon der fiese Fitnesstrainer und hat sicher jede Menge zu meckern. Ich werde ihm einfach ein halbes Kilo weniger gestehen, als die Waage vermeldet hat. Ich meine, was erwarten die Leute nach vier Kindern? Victorias Secret wird auch immer pingeliger. Und die Konkurrenz immer jünger. Wenigstens habe ich mit der Casting Show den Finger am Türöffner und kann mir die Jungmodels vom Leib halten. Wer zu gut ist, kommt nicht mal über die Vorauswahl. Und der Rest. Na ja, das ist wirklich spaßig, die Hühner öffentlich zu demütigen. „Leider habe ich heute kein Ticket für dich…“, und dann stöckeln die Fifis unfähig und verheult von der Bühne. Den strengen Mitleidsblick sollte ich noch perfektionieren. Mittags werde ich wohl eine Runde über den Rodeo Drive drehen. Die Paparazzi lassen so was von zu wünschen übrig. Kein Schwein lugt mehr über die Hecke, um ein Nachtfoto zu ergattern. Jetzt muss ich den Typen schon vor die Linse springen. Nachmittags das nervige Shooting für den Show Teaser. Hoffentlich haben die Esel dieses Mal ein ordentliches Schenkeldouble besorgt! Sonst faselt der Joop wieder von nicht optimalen Maßen! Mein Gott, jetzt bin ich schon zwei Stunden auf, ich könnte noch mal schnell auf die Waage hüpfen. Wenigstens bin ich den Ex los. War auch nicht wirklich der Imagebringer. Ständig musste der auf irgendwelchen Benefizgalas singen. Als ob man was zu verschenken hätte. Nach Auftritten war er immer so anlassig und dann ging das mit dem Sex wieder los. Vier Kinder reichen doch wirklich, oder was hat er sich dabei eigentlich gedacht? Ich kann mir die abgedrehten Namen der Brut kaum merken. Die Pille scheidet als Verhütungsmittel generell aus, damit ist Gewichtszunahme vorprogrammiert. Heute sehe ich das mit dem neuen Jungspund sportlich, beim Sex verliert man ja auch ein paar Gramm. Das Ganze ist alles so unerträglich! Dauerschön, Dauerstress, Dauerdiät! Ich drehe mich einfach noch mal um und schlafe eine Runde die Falten weg.
„Mama“, kreischte es befehlsgewohnt in mein Ohr, „aufstehen, ich will Kakao!“ „Bitte, kann das nicht Consuela machen?“, stöhnte ich während ich unsanft aus dem Bett fiel „Nein Mama“, holte mich mein Spross in die Wirklichkeit zurück, „hier wohnt keine Konsole, aber kann ich das iPad haben?“ Es dauerte ein wenig, bis ich mir halbwegs sicher war, wo und wer ich bin. Jedenfalls war ich unendlich dankbar, kein Supermodel, sondern einfach nur ich zu sein. Supermama statt Supermodel hat schon was.