Schlampenfieber
Vergangenen Freitag hatte ich eine spöttische Volksbelustigung über Geistesgröße und Schmalspurauftreten von Männern in Singlebörsen veranstaltet, und natürlich schrie einer der letzten Aufrechten sofort lauthals Zickenalarm und bemäkelte, ich würde in High Heels auf empfindsamen Männerseelen herumtrampeln. Mit meinem berüchtigten Charme einer Brennnessel schnappte ich zurück, dass nicht in diesem Leben und auch nicht im nächsten ein Schlampen-Bashing für die Bach glaubwürdig wäre. Doch wo der Leser Recht hat, hat er natürlich Recht, was ich mir geknickt zu Herzen nehme und heute relativierend die Singlebörsetanten über’s Knie lege.
Trotz unerreichter Erfahrung als Fachfrau für Psychopathen aller Art staunte ich im Zuge meiner Feldrecherche im Kreise nachhaltig geschädigter Männer wie eine Klosterschülerin, welche unfassbaren Frauenzimmer in jeder Schattierung des blasslila Wahnsinns durch die Singlemarktplätze stelzen. Es wird oft behauptet, Frauen wären grausame Aliens, was ich fremdschämend manchen Genossinnen als maßlos untertriebene Wahrheit zubilligen muss.
„Ich lese so oft in Profilen von Frauen Wörter wie "Ehrlichkeit", aber wenn ich etwas gelernt habe, dann dass die überwältigende Mehrheit an Frauen gar nicht einmal mehr merkt, wie unehrlich sie ist.“, so der Satz eines Gefrusteten, der erahnen lässt, wie schäbig sich Flintenweiber auf der Pirsch im Singlebörsewald verhalten. Als der arme Kerl sich zu einem Date mit einer Netzfrau in einem Lokal einfand, dachte er zunächst, er sei versetzt worden. Nach einer Wartezeit, die das akademische Viertel um ein paar Sekunden in der Ewigkeit hinter sich ließ, und einer vorsichtigen Rückfrage an der Bartheke entpuppte sich eine Schnaps wie eine kaukasische Bierkutscherin inhalierende Zumutung als seine Verabredung, die mit ihrem Profilfoto so viel Ähnlichkeit hatte wie Heidi Klum mit einem Schäferhund. (Ich entschuldige mich bei allen Schäferhunden für diesen Vergleich.)
Für mathematisch höher Begabte, die das Dilemma leichter aus der Sicht von Stephen Hawking ermessen können, hier die Highlights eines vom Single-Secondhandmarkt im Zeitraum einiger Monate gefoulten Mannes in Zahlen:
~1400 Profilbesucherinnen
~550-mal "XY wünscht Kontakt mit dir, schreib was nettes"
~100-mal (grob geschätzt) schrieb er etwas
~2-mal kam so etwas Ähnliches wie eine Antwort zurück.
Aus Neugierde probierte der Beziehungswillige alle erdenklichen Strategien aus: Komplimente oder Witze. Fragen zu Fotos oder Interessen. Provokation. Zum Tanzen oder Essen einladen. Nach der Uhrzeit fragen. Keine Reaktion. 98 schwiegen und die 2 Antworten könnte auch eine Katze verursacht haben, die über die Tastatur streunte – und jeweils nur wenige Buchstaben hinterließ, die kein Wort in einer ihm bekannten Sprache ergaben. Ratlosigkeit und Rückzug ins reale Leben…
Bewusstseinserweiternd ist definitiv auch, wenn man nach langwierigem Hin- und Herschreiben als Mann von einer Frau zu einem Treffen eingeladen wird und sich unerwartet bei einem Speed-Dating Contest wiederfindet, wo die aufgebrezelte Vorstadtdomina in den knappen fünf zur Verfügung stehenden Minuten ohne Umwege aufklärt, dass ihr Interesse an einer Beziehung eigentlich gegen null gehe, man jedoch gerne im Anschluss mit den anderen Teilnehmern in den benachbarten Swinger Club übersiedeln könne. So weit reichte der Erlebnishunger des vom hormonellen Overflow überforderten Kandidaten dann allerdings nicht.
Das ernüchternde Gegenteil zu swinging Anastasia Steele im Fortgeschrittenenstadium erfuhr ein Single Mann, der nach der Erstbeschnupperung in das Domizil einer Single Lady gebeten wurde, wo er irritiert das Schlafgemach mit Himmelbett, einen weiteren Raum mit der 500-teiligen Stofftiersammlung und zu guter Letzt – nein, nicht die strenge Kammer – das Puppenzimmer samt Tee-Service im Liliputformat bestaunen durfte. Nach einem desillusionierenden Kuss, der hysterischen Zweifel an einer schokominzestimmigen Chemie aufkommen ließ, nahm man(n) sich in Erwartung in intimen Infights Ken genannt zu werden und zur Vermeidung von gefühllosem Grauen deluxe mit handelsüblichen Ansagen, wie „Ich bin noch nicht bereit“ und „Ich kann nicht aufhören an meine Ex zu denken“ aus dem Rennen. Barbie brach in einen hochwassergefährlichen Tränenstrom aus und rief mit schriller Sopranstimme: „Wie kannst du mir das nur antun? Schon wieder werde ich verlassen!“
Eine zynische Komödie der Irrungen, in der sich gleich vier Kunden derselben Partnerbörse wie ein Ringelspiel im Kreis drehten, ist die unglaubwürdig klingende, aber wahre Geschichte eines Mannes im Frühpensionistenalter (nennen wir ihn des Überblicks wegen Erwin), der eine Parship Bekanntschaft (Birgit) zum ersten Kennenlernen zu einem Intensivkuschelwochenende zu sich ins Burgenland eingeladen hatte. Am Sonntagmorgen stand eine wutentbrannte Slowakin (Renata) vor der Schlafzimmertür und warf sämtliche Habseligkeiten von Birgit vulgär fluchend aus dem Fenster. Erwin beteuerte, kein Verhältnis mit der Furie zu haben, sie sei ihm vor einem Jahr einfach zugelaufen und diene nur als Putzfrau - worüber Besagte offenkundig diametral entgegengesetzter Auffassung war. Wie das, eine Frau ist ja kein Hund? Es kam so, dass diese „Putzfrau“ sich im früheren Leben in der Horizontalen verdingte und im Internet zur Festigung des Lebensstandards einen heiratswilligen, dem Ableben nicht mehr allzu fernen Mann mit solidem Bankkonto suchte. Der örtliche Wirt (Kurt) - auf der Suche nach sexuellem Amüsement - ließ dereinst Renata von der Singlebörse ins Gasthaus einfliegen. Als Kurts Ehefrau wiederum unerwartet von einer Kur zurück an den Stammtisch kam, wurde Madame Renata flugs dem Freund des umtriebigen Wirts, Erwin, in die Schuhe, oder wohl eher ins Bett geschoben, und seitdem weigerte sie sich auszuziehen. Angeblich hatte Erwin das Anhängsel schon mehrmals in die Heimat zurückchauffiert und dort ausgesetzt, doch sie kam wie ein Ping-Pong Ball mit dem nächsten Zug wieder zurück und verteidigte das Heim schärfer als ein Pitbull gegen potentielle Nebenbuhlerinnen wie Birgit. Nicht näher überliefert ist, wie Kurts Frau heißt, und ob sie einen Kurschatten hatte...
Es gibt übrigens Frauen, und ich schäme mich schon wieder einen halben Meter unter den Boden solche zu kennen, die unverblümt zugeben, eine männliche Bekanntschaft aus einer Partnerbörse vor einem Treffen auf Herzschrittmacher und Luxus zu googlen, sich durch die Facebook Profile seiner Freunde und Kinder zu wühlen und seine Villa samt Fuhrpark via Google Earth anzusurfen. Das sind jene Abziehbilder von Platintussis, die beim ersten Date ausloten, wie spendabel der Herr ist, von Spielraum und Unabhängigkeit plappern und am Ende des Tages doch nur geheiratet werden wollen.
Zu guter Letzt sind da noch die armen Schweine, die sich fragen, wie dämlich man eigentlich sein kann. Etwa wenn man eine online Bekanntschaft in einem schneereichen Winter mit mehr oder weniger erotischen Erwartungen bei sich übernachten lässt und dann in aller Herrgottsfrühe ihr Auto freischaufeln muss. Sie war Fernfahrerin. Das Auto war ein 40-Tonner-LKW. Blöd gelaufen.
So, jetzt haben beide Seiten ihr Fett abbekommen, und bevor wieder einer entrüstet aufschreit, dass die Bach einen Geschlechterkrieg anzettelt: nein, die Verunglimpfung der wahllos vermischten Highlights an Schmierendarstellern, die sich auf den digitalen ich-muss-unbedingt-jemanden-kennenlernen-Orten herumtrollen, ist kein Erschießungskommando für Mannsbilder oder Weibsvolk, sondern lediglich ein mondäner Ausdruckstanz über meinen Widerwillen zu diesem absurden Liebesbazar der vom analogen Leben frontal Verunsicherten.
Meine allergiegeladene Aversion gegen Partnersuche im Internet beruht schlicht und ergreifend auf meinem unausrottbar romantischen Glauben, dass das Schicksal einen kosmischen Pakt mit der Liebe hat und zwei Menschen selbst über noch so verschlungene Wege zusammenführt. Und zwar die Menschen, die für einander bestimmt sind, und nicht jene aus der Gruppe der an Versäumnispanikattacken Leidenden, die sich einen Partner aus dem Supermarktregal aussuchen, und entweder unter migräneerregenden Kompromissen entgegen jeder Vernunft in ihrem Leben behalten oder bei Bedarf umtauschen.