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London calling

So ein Trip in eine Großstadt soll ungemein zur Jugendbildung beitragen, dachte ich mir, und packte den Spross in den Flieger nach London. Hardcore Sightseeing. Angefangen haben wir natürlich bei Harrods, wo sonst. Der zweite Fehler. Denn meinen Köder, dass man bei Harrods alles, aber auch alles bekommt, hat der Sohnemann in die falsche Kehle gekriegt. Der erste Fehler war, meinem Siebenjährigen zu erklären, Fliegen in der Business-Class ist einfach cooler. Der Reiseprofi war schon leicht echauffiert, dass die Briten auf der Kurzstrecke keinen A380 und keine First Class haben, fand es dann aber ganz toll, dass zwischen uns noch ein halber Sitz extra für alle mitreisenden Kuscheltiere reserviert war. Für Harrods hatten wir nach einer kurzweiligen Diskussion schnell einige Grundregeln aufgestellt: Dort gibt es zwar alles, aber man kann nicht alles haben. Ich, mit gutem Beispiel voran, war in vier Tagen nicht ein halbes Mal in der Designer Fashion Abteilung. Das höchste der Gefühle: ein Glas Champagner mit Erdbeere an der Eistheke im Food Court. Ansonsten hatten wir das volle Programm durch. Big Bus, Big Ben, sämtliche Harry Potter Locations, den Tower, Madame Tussauds, Buckingham Palace, Aquarium, Lion King und eine Runde mit dem London Eye. Auf 450 Fuß und das mit meiner Höhenangst. Und so viel Heldenmut ohne Alkohol und Nikotin. Wie schon gesagt: Vorbild!

Als der Unermüdliche endlich schlief, zog ich mich an die Outdoor Bar zurück, kippte zwei Chablis und inhalierte eine Handvoll Gauloises. Ganz untypisch für das gediegene Hotel schwebte eine schrille Rothaarige herein. An den Beinen Christian Louboutins bis über beide Knie und ein schwarzer Lack-Burberry bis knapp über den knackigen Po-Ansatz. Also das Rot war nun keinesfalls Natur, es war mehr leuchtend rot-pink und hatte was, das muss ich schon sagen. Ich beobachte die illustre Erscheinung von meiner Nische im Schanigarten. Nach einem schnellen Martini stelzte Madame wieder zu ihrem Mercedes M - und wenn es sein muss, fahre ich den Himalaya in direkter Linie bis zum Gipfel hinauf - und verweilte abwartend. Wäre da nicht der Bentley stehen geblieben und ein betuchter Araber herausgesprungen, der mit der Lady in Red ernste Verhandlungen aufnahm, nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass der flotte Feger einem ziemlich alten Gewerbe nachgeht. Offensichtlich hatte die Vollzeitmaitresse es nicht so mit in Thawbs und Guthras gewandeten Freiern, bestieg ihr Bergmobil und gaste davon. Der Araber zuckte gelassen mit den Schultern, erblickte mich und fragte mit lustgeilem Grinsen „Would you care for another drink?“ Ich hatte meine letzte Zigarette eben beendet und flippte sie mit unterkühltem Lauren Bacall Blick wortlos über die Motorhaube des Bentley. „Ich wusste es doch“, war der Scheich restlos entflammt, „Sie haben Klasse!“ Mein Hinterkopf spulte blitzartig ab, was seine Kreditkarte bei Harrods wohl alles, alles, alles kaufen könnte. Dafür rot-pinke Haare in Kauf zu nehmen, schien mir dann doch etwas überteuert.

London calling - Lili Bach Blog

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