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Hausfrau sein dagegen sehr...

Hausfrau dagegen sehr... | Lili Bach | Blog

„Es ist wirklich dringend!“ hatte sie am Telefon gestöhnt. „Ich kann nicht mehr.“

Trifft man Menschen nach vielen Jahren wieder, ist der unmittelbare Vergleich in puncto Erhaltungszustand das Erste. Ich glaube nicht, dass es nur mir so geht.

K. war in den Jahren, in denen wir einander nicht mehr gesehen hatten, älter geworden. Also nicht einfach älter, das werden wir alle, sondern viel älter. Eigentlich ist sie ein paar Monate jünger als ich, nun hatte sie mich in einer physikalischen Innenkurve um nicht viel weniger als ein Jahrzehnt abgehängt, zu ihrem Nachteil.

„Schön dich zu sehen - nach wie vielen Jahren?“ begann ich unser Wiedersehen im Café unseres Vertrauens einzuläuten.

„Ich weiß, es ist meine Schuld, aber es ist viel passiert.“ parierte sie elegant, ohne auf Kinkerlitzchen wie Jahre einzugehen.

Kurz ließen wir Revue passieren, was seit, seit, nun, seit etwa die Welt noch ohne Internet auszukommen hatte, geschehen war. Männer und Kinder waren gekommen und gegangen, berufliche Höhen und Tiefen ebenso, und nun saßen wir einander gegenüber. K. war ein hübsches Mädchen gewesen in unserer Klasse, nicht die hellste Kerze, aber süß. Irgendwann hatte ich erfahren, dass sie irgendwas mit Medien zu studieren begonnen hatte, einmal hatte ich gehört, dass sie geheiratet hatte. Einen gutgehenden Anwalt, Klassiker.

„Es war nicht die große Liebe. Aber er war anständig, für einen Anwalt sogar sehr.“, kicherte sie. Mir fiel dieser entsetzliche Spruch ein, wonach 99 Prozent aller Anwälte den Ruf aller übrigen ruinieren.

„Er hat mir sogar eine Boutique gekauft, in guter Lage!“ Ja, ich erinnerte mich, die kleine K. hatte immer schon viel Gefallen an allem Tragbaren und Untragbaren gefunden, solange es auffiel. Das mit den Medien war es offenbar nicht gewesen.

„Es war ja nicht so wichtig, wie viel umgesetzt wurde. Aber ich hatte etwas zu tun.“ seufzte K.

Irgendwann war das Trennende aber stärker geworden als das Gemeinsame, und das Trennende war, wie sich herausstellte, um einiges jünger gewesen. Und danach? „Du weißt ja, was man sagt, ab einem gewissen Alter. Man wird eher Opfer eines Nuklearangriffs, als dass man noch einen brauchbaren Mann erwischt.“ Ja, ich kannte diese Prognose. Immer schon hatte ich sie für unsäglich, dumm und zutiefst frauenverachtend gehalten. K. aber hatte noch einmal Glück gehabt, zumindest schien es so.

„Er war auch geschieden, und er wollte mir wirklich die Welt zu Füßen legen. Wir haben nach drei Monaten geheiratet. Vor etwas mehr als zwei Jahren.“

„Na gratuliere!“, sagte ich, und zwang mich dazu, nicht laut darüber nachzudenken, was man mit der Welt zu Füßen anfangen kann. K. hatte es nicht so mit dem Philosophieren und hätte ohne Zweifel etwas von Schuhen gesagt.

„Die Boutique hatte ich nach der Scheidung natürlich nicht mehr. Er ist ja Anwalt. Und als ich Ernsti fragte, ob ich nicht wieder als Outfit- und Personality-Beraterin tätig werden könnte, hat er nur gelacht. Es kam für ihn nicht in Frage.“ Seine Frau würde sicher nicht fremde Leute in obstruse Fetzen wickeln, hatte er sich vernehmen lassen. Das war deutlich.

„Dabei hat mir das Freude bereitet. Ich bin jeden Tag gern ins Geschäft gegangen. Du weißt ja, man plaudert mit den Kundinnen, von einigen kennt man bald alles, worüber sie gern reden. Und man macht Menschen glücklich. Und fescher.“ Ich stellte mir K. als eine Mutter Theresa der Haute Couture vor, was gar nicht so schwer war.

„Und jetzt?“ - „Jetzt sitze ich seit zwei Jahren zuhause. Es bringt mich um.“

„Aber wieso? Nicht mehr arbeiten zu müssen, tun zu können, wozu man Lust hat...“ K. brach ihre Stimme. „Das klingt toll, ich weiß. Aber du hast ja keine Ahnung, was das bedeutet.“

Wie sich herausstellte, war Ernsti der Meinung, seine Frau sollte auf keinen Fall arbeiten gehen und nur den Haushalt schupfen. Das müsse mit links möglich sein ohne andere Verpflichtungen.

„Es ist halt so: ich bin ziemlich gut im Haushalt-Schupfen. Wir haben auch keine Bedienerin oder so. Also mache ich ihm das Frühstück, und wenn er weg ist, gehe ich einkaufen, putze, wasche, bügle und bereite das Abendessen vor. Dann ist es halb elf.“

„Das ist flott“, warf ich ein.

„Ich sag‘ ja, ich bin gut im Haushalt. Nur macht es mir keinen Spaß. Und dann wird der Tag lang.“

Mit erstickter Stimme berichtete K., wie sich ihr Leben verändert hatte. Zuerst hatte sie damit begonnen, sich nach dem Frühstück noch einmal hinzulegen. Dann hatte sie die große Leere des Fernsehens entdeckt. „Weißt du, ich brauch ja nicht dauernd sowas Anspruchsvolles. Aber was da tagsüber läuft, tut schon weh. Das heilt nicht mal der dritte Gin Tonic.“ „Hat das nicht einmal Schichtarbeiter-Programm geheißen?“ fiel mir ein. Tatsächlich, als es noch zwei staatliche Programme gab und sonst Radio, hatte es tagsüber lehrreiche Beiträge gegeben, die die erschöpften Schichtarbeiter mit einer hehren, besseren Welt vertraut machen sollten. „Bildungsauftrag“ war noch kein billiges Witzchen, und ein gewisser Respekt vor den Seher/innen spürbar. Kein Wunder, dass das Privatfernsehen es dann relativ leicht hatte.

„Inzwischen mache ich es so, dass ich alles im letzten Moment erledige. Wenn der Ernsti dann nach Hause kommt, ist alles picobello, und ich bin erschöpft. Das mag er.“

„Aber du könntest doch Hobbies nachgehen, einen martialisch gutaussehenden Fitnesstrainer deinen Körper bearbeiten lassen, lesen…“ „Lesen! Und dann noch stricken? Ich bin nicht so gern allein. Die Lebensgeschichte meines Friseurs und des Greißlers um Eck kann ich dir in drei Tonarten vorsingen. Sonst hat ja heute kein Mensch mehr Zeit. Und mir ist grottenfaaaaad!“.

Das also war des Pudels Kern. Wir plauderten noch ein wenig von früher und viel früher, dann machte ich mich unter einem Vorwand auf den Weg. Ich bin nicht so gern jemandes Pausenfüller. Wahrscheinlich geht es vielen von Ks Bekannten ähnlich.

„Selber schuld, kein Mitleid.“ erwiderte Mr. Silvera, als ich ihm von diesem Gespräch mit einer ehemaligen Schulfreundin erzählte. Wir waren uns einig, dass jemand, der alle Voraussetzungen hat, mehr aus sich zu machen, nie zu viel Zeit haben kann. Wir wussten aber auch, dass es ein Privileg ist, einer sinnvollen, (zumeist) erfüllenden Arbeit nachgehen zu können.

„Das war wieder ein Tag!“, ächzte Silvera. Er hatte mit dem neuen Dyson Walzer getanzt. Er hatte gekocht, Pasta mit einem durchaus gelungenen Pesto. Seine Reisesaison ist gerade zu Ende gegangen. Nun ist er Hausmann. Die Wohnung war picobello. Wir sahen einander an und prusteten gleichzeitig los.

P.S.: Anregungen dazu fanden sich in einer der 600 wundervollen Short Stories von O. Henry, „Memoirs of a Yellow Dog“. Das dortige Zitat „If men knew how women pass the time when they are alone they'd never marry.“ sei hier nur angeführt, um zu betonen, dass mir sehr wohl klar ist, dass Haushalt echte Arbeit bedeutet, und dass die meisten Frauen einfach unbezahlten Frondienst verrichten ;)

Außerdem landete O. Henry, der eigentlich anders hieß, im Häf‘n. Allerdings nicht wegen seiner Sicht der weiblichen Welt. Von Schuhen verstand er auch etwas...

http://etc.usf.edu/lit2go/131/the-four-million/2403/memoirs-of-a-yellow-dog-the-four-million/

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