Mr. Darcy
Krisensitzung in meinem Wohnzimmer. B. war ein wandelndes seelisches Katastrophengebiet. Der knallharte Scheidungsanwalt hatte mehr Bomben auf B.'s Herz abgeworfen als Manfred von Richthofen im gesamten ersten Weltkrieg. Ein besonders grausames Exemplar der Männerzunft. Jedem Frontaleroberungsangriff folgte ein taktischer Rückzug. „Der taumelt zwischen Nähe und Distanz durch mein Leben und ich fahre meine Restjugend im Blindflug frontal gegen die Beziehungswand“, kommentierte B. das emotionale bungy jumping, „ich sehne mich nach einem normalen, rationalen Mann, der Klartext spricht und die Frau für den Rest seines Lebens sucht. Den Text erledigen wir mittlerweile in der Zeit, in der er am Weg zu mir ist, weil die im Terminkalender eingeplante halbe Stunde grad zum Runterreißen der Kleider und einen mit der Fast-forward-Taste abgespulten Quickie reicht“. B. war wild entschlossen das Zweitfrauendasein bis zur Entscheidung durchzuhalten und freute sich schon über platte Komplimente, dass sie den typisch weiblichen Aftersexkuschelbedarf erstaunlich männlich wegstecke. „Du hättest dir besser einen Anwalt angelacht, der nicht verheiratet oder zumindest schon wieder geschieden ist“, warf ich ein. B. löste sich in Tränen auf und schnaubte unverständliche Schmähworte.
Der passende Moment ‚Die große Liebe meines Lebens‘ in den DVD Player zu werfen und sich im Liebesleid anderer Idiotinnen zu suhlen. Nach ein paar Flaschen Rotwein waren wir zum Ende des Films ein geballtes Häufchen heulendes Elend. Wie gut, dass Männer diese göttliche Schnulze nie verstehen werden. Weil es so schön war, legten wir noch ‚Stolz und Vorurteil‘ nach und schlossen mit ‚Bridget Jones‘ ab. Wie Elisabeth Bennet war B. gefangen in einem Roman von Jane Austen und hatte den finstersten Protagonisten erwischt. Jane Austen hat zwar die Erwartungen ihrer Leserinnen nachhaltig überstrapaziert, aber mal ehrlich! Wer will nicht einen Mr. Darcy? Ein charmant geheimnisvolles Raubein und im Grunde seines ehrlichen Männerherzens liebt der nebenbei fantastisch aussehende Single nur uns und alle anderen Frauen können so was von in die Allee gehen. Und was kriegen wir? Einen egoistischen, herzlosen Illusionisten, der am Wochenende und zu Weihnachten bei seiner fünfköpfigen Familie trautes Heim, Glück allein spielt, während wir unsere besten Jahre vergeuden und alleine mit der Katze alt werden. „Du solltest mal ein Wörtchen mit Mrs. Darcy reden“, schlug ich vor, „vielleicht ist sie der Kombination Scheidungsanwalt überdrüssig, hat ihren Rechtsverdreher schon lange satt und will nur noch die Scheidung“. „Das ist ja das Oberbeste“, schluchzte B. „die Alte ruft mich gestern an und will wissen, wann ich meine Nummer im Handyspeicher ihres Göttergatten verloren habe! Offenbar hat die Großinquisitorin ein automatisches Computerabgleichprogramm für alle Nummern von weiblichen Klienten und jetzt habe ich einen Termin in seiner Kanzlei zur Einleitung meines Scheidungsverfahrens von dem Mann, den ich noch nicht geheiratet habe“. Potz Blitz. Die Wege des Schicksals sind verflixt unergründlich...