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Susi

Mit meinem Navi stehe ich auf Kriegsfuß. Kommandierte mich früher ein sonorer Otto herum, nervt heute Susi mit zickigen Anweisungen, die ich geflissentlich ignoriere. Das macht Susi unleidlich und ihre Stimme wird mit jeder Weigerung meinerseits schriller und strenger.

Heute Morgen will Susi, dass ich eine Route nehme, die klar ein staubeladener Umweg ist. Ich schere aus und wähle die intelligentere Strecke. Schließlich bin ich eine Auskennerin und lasse mich von einem Navi nicht unreflektiert bevormunden. Susi rechnet mit der Schnelligkeit einer hochbegabten Volksschülerin und weist mich an, halbrechts auf einer schnurgeraden Straße abzubiegen. „Na sicher nicht“, antworte ich trotzig. Susi ist beharrlich und erneuert ihre Aufforderung. Ich schimpfe sie einen Trottel. Ja, ich spreche mit meinem Navi. Ja, es geht mir soweit gut. Immerhin spreche ich auch mit anderen Verkehrsteilnehmern, obwohl sie mich zu ihrem Glück nicht hören können. Ich halte das nicht für bedenklich.

„Biegen Sie halbrechts in die Grinzinger Straße ab.“ Susi gibt nicht auf. „Du dämliche Tussi, ich bin in der Grinzinger Straße“, schnalze ich zurück. Es kommt durchaus vor, dass ich nicht immer dort lande, wo ich hin will, aber das ist nicht meine Schuld. „Biegen Sie JETZT halbrechts ab.“ Die insistente Tante ist nicht lernfähig. Bin ich dann in weniger heimischen Gefilden, beuge ich mich für gewöhnlich den Routenvorschlägen. Auch das ist nicht immer von Vorteil, geschweige denn zielführend. Nach 40 Minuten setzt Susi mich mit den lakonischen Worten „Sie haben ihr Fahrziel erreicht“ bei der Schiffsanlegestelle an der Donau in Krems ab. Mein Termin an der gut einen Kilometer entfernten Donau-Uni Krems ist in 9 Minuten. Ich bin ratlos. Hektisch füttere ich Susi nochmals mit der Adresse und siehe da, sie lässt sich herab, mir den Weg anzuzeigen, von weiteren Kommentaren nimmt sie Abstand. Was für deine beleidigte Leberwurst. Ich starre unentspannt auf das Wirrwarr von Kreisverkehren am Display, das am helllichten Vormittag aus unerfindlichen Gründen im Nachtmodus läuft, und versuche keine anderen Autos zu rammen. Susi schweigt. Es bleibt noch Zeit, die Verkehrsgegner gebührlich zu beschimpfen.

Unglaublich welche Vollkoffer heutzutage Besitzer eines Führerscheins sind. Wörter kommen über meine Lippen, die meine Mutter über eine unwiderrufliche Enterbung nachdenken lassen würden. Jedenfalls würde sie ohne Wimpernzucken ableugnen, mich geboren zu haben. Vollkoffer, Hirnloser, Dölli, Behinderter, Depperter und Wappler sind noch die gesellschaftsfähigen Attribute, die weiteren möchte ich nicht aufzählen, da ich mich selbst dafür schäme. Nicht im Moment der Exklamation, aber hier und jetzt. Meine Selbstgespräche bei Autofahrten setzen sich in so einem Anflug von Tourette leider auch dann ungebrochen fort, wenn mein Spross am Beifahrersitz hockt. Ich fürchte, er wird aus Angst, mir im späteren Leben auf der Straße zu begegnen, den Erwerb eines Führerscheins vorsorglich auslassen. Andererseits kann man Kindern nicht früh genug beibringen, dass beim Fahren nur die Harten durchkommen und man nicht auf jede x-beliebige Susi hören soll. Wir lernen schließlich nicht für die Fahrschule, sondern für das Leben. Ich bin also ein erzieherisches Vorbild und gebe Orientierung. Und das ist ungleich mehr als Susi zu bieten hat.

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