Raucherzone
Dekadenz pur: in den 80-er Jahren gab es auf Flügen nach Amerika noch Raucherplätze. Dort saß ich nie. Wer will schon nach elf Stunden mit vor Qualm tränenden Wolfsaugen halberblindet aus dem Flieger kriechen. Ich hatte meinen Wunschsitzplatz immer möglichst weit vorne, war aber die meiste Zeit des Fluges Dauergast in diesen hinteren Reihen, hinter denen nur noch die jordanischen Security-Männer in dunklen Anzügen und mit noch dünkleren Sonnenbrillen saßen und bis an die Zähne bewaffnet selbst wie Terroristen aussahen. Minimum ein Packerl Marlboro verstaute ich über den Atlantik locker in meinen Lungen. Wenn kein Sitzplatz frei war auch im Stehen. Unvorstellbar, sogar das war früher noch möglich! Heute wird man bis zur Gesäßlähmung festgeschnallt und darf den Folterstuhl gerade mal verlassen, um ein dringendes Geschäft zu verrichten.
Die Raucherwelt schaut tagesaktuell trist aus. Es kam irgendwie schleichend. Vor zehn Jahren war nichts mehr mit Dauerpoffeln im Jumbo. Immerhin konnte man sich nach dem Aussteigen sofort eine Ladung Nikotin reinziehen. Heute muss man zuerst den rauchfreien Flughafen verlassen und sich dann vorsichtig umschauen, damit man nicht auf offener Straße hinterrücks von einem Rauchsheriff verhaftet wird. Eine Bekannte wäre am Flug nach New York fast gefesselt und geknebelt worden, als sie ihre elektronische Rauchentwöhnungszigarette anheizte. In unseren Breiten war das Rauchen vergleichsweise lange geduldet. Damit hat es sich jetzt endgültig. Ende der Fahnenstange und des Tschik.
Die letzte Bastion ist gefallen. Mein Stammlokal zwangskonvertierte in eine Nichtraucherzone. Seitdem ist die Hütte leer und der Wirt denkt abwechselnd über Glaswände, Zelte oder Geschäftsaufgabe nach. Die letzten aufrechten Raucher, auch ich, stehen bei arschkalten Graden im Garten und lassen sich vom Verkehrslärm zudröhnen. Unlängst trudelte ich völlig entnervt zu später Stunde ein, drapierte mich leger an die Bartheke, begrüßte die Brüder und Schwestern und zündete mir zum cool-down leicht gedankenverloren eine Zigarette an. Betretenes ungläubiges Schweigen in der Runde. Bis W. mich vorsichtig fragte, „Lili, warum rauchst du hier drinnen?“ Ich sprang ansatzlos vom Hocker, hechtete mit dem Glimmstengel in Lichtgeschwindigkeit Richtung Ausgang und entsorgte das Ding der Schande im Garten. Nachdem ich wieder hineingehuscht war und unschuldig auf meinem Barhocker wippte, kam der Chef aus der Küche zurück, begann von neuem die Leier von der ruinösen EU-Raucherpolitik und deklamierte mit hysterischem Blick und röchelnder Stimme, dass um die Ecke die Raucherpolizei eine Bar samt Insassen hochgenommen und jeden einzelnen Sünder um 100,- Euro und den Besitzer um schmerzhafte 2.000,- erleichtert hatte. „Aber nicht mit mir, na sicher nicht“, donnerte er wütend und besiegelte den Eid an die Nichtraucherzone mit einem Fernet.
„Haltet bloß den Rand", signalisierte mein stechender Blick den idiotisch grinsenden Brüdern und Schwestern, „oder ich mache euch alle zu Hackfleisch".