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Willkommen im Club

Der Blickwinkel von der anderen Seite des Hügels fühlt sich grundsätzlich verkehrt an. Gnadenlos hat sich der Runde angepirscht. Zumindest ist - wie ich es mir unter Androhung von Freundschafts-Embargos allenthalben ausgebeten habe - keine Heiterkeit heuchelnde Geburtstagsfeier in Sichtweite und ein Umtrunk mit der besten Freundin das höchste der Gefühle, wozu ich mich aufraffe. Als die Überraschungsgäste eintrudelten, nehme ich die sträfliche Missachtung meines einzigen Wunsches erst mal gelassen hin und beschließe emotionsfrei, mich stilvoll aber maßlos zu ertränken. Noch am Nachmittag hat mir im Bus ein pickelgesichtiger Schüler seinen Sitzplatz aufgedrängt. Ich sehe mich befremdet nach meinem Spross und meiner Mutter um. Beide sind nicht da. Der Platz für Alte, Behinderte und Gebrechliche gilt mir! Schön und gut, muss ja auch Vorteile haben, da muss man sich gar nicht schämen. Immerhin habe ich ein Kind, auch wenn es gerade bei der Oma weilt, weil die karrieregeile Mama schon wieder eine journalistische Spur verfolgt.

Und jetzt sitzt da eine Schar Menschen, die alle in Scharfschützenmanier Hornbrillen auf den Nasen tragen, und mit Zeissoptiktiefenschärfe prüfen, ob ich mehr Falten als alle anderen zusammen habe. In meinem Kopf röhren Extrabreit mit Hildegard Knef ‚Für mich soll's rote Rosen regnen‘. Auch ohne schadenfrohe Zaungäste ist es wirklich Demütigung genug, nicht mehr dreißig und ein paar hippe Jahre zu sein, sondern plötzlich mit Gelenksbeschwerden auf die Fünfzig zuzuhumpeln. Diese perfide Überraschungsparty schreit nach Rache. Heute entkommen mir die ungebetenen Schlachtenbummler meines Lebenswendepunktes nicht. Die schlappen Mitvierziger müssen was aushalten, wenn ich schon wohl oder übel die immer exorbitanter anwachsende Zeche berappen muss. Vor Mitternacht wird da nicht geschwächelt!

Wie viele Jahre bleiben jetzt rein rechentechnisch noch und will ich den Beginn der nächsten 40 Jahre mit aufoktroyierten Langeweilern verbringen? Wie oft habe ich die ehemals besten Freunde eigentlich in den letzten zwanzig Jahren gesehen? Aber zum Vierziger sind die Typen alle da und grinsen: Willkommen im Club! Egal. Wie oft gibt es heute noch Partys? Partys bei denen man auf irgendeiner Matratze übernachtet, Partys bei denen man gar nicht eingeladen war, Partys bei denen man niemanden kennt, und manche davon am nächsten Morgen lieber nicht mehr so gut kennen würde. Eigentlich geht man auf gar keine Partys mehr. Ehrlich! Da sitzt mir eine Frau gegenüber, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann. Dafür muss es doch irgendwelche Geriatriepillen geben?

„Mama, Du bist jetzt alt“, hat es mein Spross auf den Punkt gebracht, „Wann musst Du sterben und wer führt mich dann mit dem Auto?“ „Mach Dir keine voreiligen Hoffnungen“, blaffe ich ihn an, „Du wirst in ein paar Jahren den Führerschein machen und wenn ich steinalt bin, führst Du mich zum Senioren Speed Dating“. „Chill mum, ich will keinen Führerschein“, ist der Frechknirps pragmatisch, „dazu habe ich ja Dich und das Rennfahren solltest Du in Deinem Alter besser bleiben lassen“. Ist echt erfrischend so ein Kind! Um halb vier vermeldet der Kellner, dass wir den Vorrat an Furat im Keller erschöpft haben. Ein kurzer Rückschlag, der mich nicht davon abhält, die Truppe in stadtbekannte Lokale zu verschleppen, die gerade erst aufsperren. Als ich mich am Morgen über die geschäftigen Menschenmengen auf der Straße wundere, schätzt mich ein jugendkulturell gebildeter Opa auf achtundzwanzig. Vermutlich hat er die dunklen Augenringe für twengerechtes Emo-Styling gehalten.

Willkommen im Club - Lili Bach Blog

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