Amerika mit Kinderaugen
Nach Amerika kommt man nur mit dem Flugzeug und zwar mit einem Jumbo. Kein A380, aber immerhin zweistöckig. In der Business Class wird das ganz fein, meinte Mama. Da war diese Reisegruppe ältlicher Damen, die alle gleich angezogen waren und alle dauernd bedienen wollten. Hatten die keinen Sitzplatz mehr bekommen? Ach Du Schreckschraube, das waren ja die Stewardessen! Von der ganz Lieben, die mich immer ansäuselte wie meine Oma und mir ständig Essen brachte, sagte Mama, das ist die Marianne Sägebrecht von Out of Rosenheim. Versteh ich nicht. Rosenheim ist doch in Deutschland, das weiß sogar ich! Erwachsenenhumor halt. Das angeblich besonders feine Essen bestand jedenfalls nicht aus Schnitzel, Pommes und Ketchup. Dafür gab es Filme bis zum Abwinken. Nach ungefähr drei Tagen Flug sind wir endlich in L.A. gelandet und haben unser Auto abgeholt. Es war ein schwarzer Jeep. Also ein bisserl komisch ist das schon, wo haben die unser Auto in dem Flugzeug untergebracht? Im Gepäckraum??? Mama sagte, das ist nur ein Zufall, aber ich glaube ihr nicht. In Amerika muss man viel Auto fahren, weil alles so weit weg ist. Ich hatte ja noch keine Ahnung, wie viele Stunden im Auto da auf mich zukommen würden. Da hätten wir doch gleich eine Autoweltreise buchen können!
Zunächst verbrachten wir einige Tagen bei unseren Verwandten. Bei meinem Onkel war es lustig. Der hatte in seiner Riesenvilla einen Media Raum mit drei Fernsehern, die alle gleichzeitig liefen und je ein anderes Programm spielten. Irgendwie verwirrend. Dann fuhren wir nach Disneyland. Juchuuu! Wie oft würde mir Mama jetzt noch erzählen, dass das das Original Disneyland ist? Als ob ich das nicht wüsste! Immerhin hat sie mir im Disneyland Paris gefühlte 753.000 mal gesagt, dass das nicht das Original Disneyland und das in Anaheim natürlich viel besser ist. Auch schon vergesslich, die Alte. Von wegen besser. Es hatte ungefähr 38 Grad und der einzig erträgliche Platz waren die unterirdischen Piraten der Karibik. Ich werde mal testen, wie oft Mama das durchsteht. Wir haben sieben Mal hintereinander geschafft. Captain Jack Sparrow war auch immer da und sagte immer dasselbe. Auch schon überwuzelt der alte Pirat. Dann mussten wir in diesen Club33 essen gehen. Ein geheimes Restaurant mitten in Disneyland, in das nur Mitglieder und Freunde von Walt dürfen und man muss leise sein, weil es ein nobler Club ist und man muss lange Hosen und ein Hemd mit Kragen tragen. Ich hatte eine kurze Hose und ein Lacoste Shirt an und der Torwächter hat uns nicht reingelassen. Also liefen wir hektisch durch alle Shops und fanden ein paar Mickey Jogging Hosen und ein Cars Hemd. Ich sah wie ein Dolm aus, aber der Wächter war zufrieden. Irgendwie ging auch das Essen vorüber und wir fuhren noch fünf Mal die Piraten! Am nächsten Tag das gleiche in lichtblau.
Dann ging es weiter zum Sequoia Nationalpark. Nach sechs Stunden Fahrt waren wir da und alles war finster. Am nächsten Tag bestaunten wir Bäume. Nachdem ich drei gesehen hatte, hatte ich genug. Wie viele Bäume kann man sich denn wohl an einem Tag anschauen? Die sind alle groß, braun, teilweise abgebrannt und zum Klettern völlig ungeeignet. Erfolgreiche Gehverweigerung! Also fuhren wir fünf Stunden nach San Francisco weiter. Dort war es kalt und neblig. Angeblich ist es meistens so, also warum sind wir überhaupt da her gekommen? Der hop on hop off Bus war lustig. Ich musste die Berieselung per Kopfhörer über mich ergehen lassen. Habe mich geweigert, aber Mama hat mich mit 20 Dollar bestochen. Das eröffnet neue Perspektiven. Ich muss mich nur weigern und dann bekomme ich Geld, wenn ich Mama einen Gefallen tue. Ich werde bald ein reicher Mann sein! Am Pier 39 wollten wir die Seelöwen besuchen, aber die waren gerade nicht da. Angeblich schon seit Jahren nicht. In ein Gefängnis auf einer Insel musste ich auch. Wieder Kopfhörerberieselung. Für ein paar Dollar mehr tat ich es. Zum Frühstück gibt es in Amerika komische Dinge. Die essen dort Omelette mit Kartoffeln plus Palatschinken mit Nutella und Würstel. Kein Wunder, dass alle doppelt so breit sind, wie bei uns zu Hause. Im Yosemite Park gab es Wasserfälle und Bären. Gott sei Dank hat Mama keinen umgefahren. Jedenfalls keinen Bären, über den Rest schweigt die Chronik! Schnee war da auch und als wir weiter in die Wüste fuhren, hatte ich innerhalb von sechs Stunden Autofahrt Temperaturschwankungen von 30 Grad überlebt. Die Wüste ist wunderschön, meinte Mama. Na ja, was die Erwachsenen halt schön finden, ist ein wenig abartig, aber bitte.
Cool war Las Vegas. Wir wohnten in einer riesigen Tickethalle. Leider durfte ich dort nicht spielen. Das ist ungerecht! Aber unser Zimmer war größer als unsere Wohnung zu Hause und der Fernseher kam auf Knopfdruck aus einer Versenkung und verschwand erst wieder, als der Hoteltechniker da war. Und David Copperfield kann echt zaubern. Das sind nicht nur Fernsehtricks. Dafür schaut er aber aus wie ein Wellensittich und spricht komisch. Ich glaube es ist Englisch. Er fragte meine Mama, wie sie heißt und sie sagte Claudia. Man soll doch nicht lügen?!? Dann waren wir noch bei meiner Tante. Sie hat ein riesiges Haus am Meer mit Pool. Nur war kein Wasser in dem Pool. Immerhin gab es WLan. Der Hit war die letzte Woche in San Diego. Wir mussten nur eine Stunde mit dem Auto fahren. War auch blöd, weil ich grad mal einen halben Film in der Zeit sehen konnte! Das Meer dort war wie bei den Eisbären. Im Hotel spukte es angeblich. Mama wollte nicht, dass ich das weiß, aber auch ich kann schon Englisch und habe Ohren wie ein Luchs. Geist hab ich keinen gesehen – no na – und spucken kann ich selber. Das mag Mama gar nicht. Sie sagt, in Amerika kommt man für Spucken in der Öffentlichkeit ganz schnell ins Gefängnis. Also erstens glaube ich, sie hat schon wieder gelogen und zweitens war das Gefängnis auf der Insel gar nicht so übel.
Nach drei Wochen – gefühlten dreißig Jahren – war das Sommerabenteuer ausgestanden. Fast. Auf der Fahrt zum Flughafen bildete sich meine Mama ein, nicht über die schnelle Autobahn (Freeway), sondern über die idyllische (oder so halt) Küstenstraße (PVC oder PCH oder so halt) zu fahren. Stau. Megasupergaustau. Was sonst! Mama’s Worte möchte ich hier nicht wiederholen. Wir haben fast den Flug verpasst…