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Putzperlenalarm


Putzperlenalarm

Meine Putzfee hat ein Eigenleben. Sie herrscht uneingeschränkt über meine Wohnung, stellt die Einrichtung nach Gutdünken um und ein wenig putzt sie ab und an. Sie vernichtet Staub und Dreck, natürlich nicht unter Kommoden und Betten, und mitunter auch meine Kleidung. Ich rede gar nicht von Socken, die paarweise in den Wäschekorb wandern und als Einzelstücke aus dem Wäschetrockner in den Kasten zurückkehren. Über die unglaubliche Schrumpfung meiner ehemals je zwölf Riedel Chardonnay, Riesling und Sauvignon Gläser auf nahezu null und nicht ganz so drastische Reduzierung des Rotweinglasbestandes, so dass ich jetzt schon gourmandartig alle Weißweinsorten aus dem letzten verbliebenen Sauvignon Glas kippe, rege ich mich echt nicht mehr auf. Lappalien.

Irgendwie schafft es die Reinigungsfachfrau beim Wäschewaschen nicht den Fetzen, der - seit Jahren ungetragen - bereits den Motten zum Opfer gefallen ist, zu ruinieren. Nein, nein! Immer die Teile, an denen ich hänge. Mit Vorliebe Designerstücke. Innerhalb einer Woche hat Frau V. es hingekriegt, ein Loch in meine D&G Bluse zu bügeln, meinen Lieblingsjeansgürtel – nicht zuletzt weil mein einziger – so lange samt Jeans in der Waschmaschine zu waschen, bis die Schnalle ab war und gelbe Flecken auf meine weiße Abercrombie Weste zu applizieren. Gesamtschaden zum Weinen viele Euro. Nicht zu reden von dem schwarzen Pulli, der fünf Nummern kleiner aus dem Trockner kam, was Frau V. damit quittierte, dass den ja mein Sohn sicher noch tragen kann. Und das Loch in der Bluse könne sie – im Zweitberuf gelernte Schneiderin – nähen, „dann Sie können noch unter Pullover tragen.“ Nein, das geht gar nicht, erkläre ich fassungslos. Was, wenn mir heiß ist, was, wenn der obzwar ziemlich unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ich mich in Gegenwart eines potentiellen Lovers ausziehen muss? Nein! Ab in den Müll. Um dafür aufzukommen, würde sie schnell mal achtzig Stunden gratis putzen. Aber ich bin ja kein Ausbeuter und winke resignierend ab.

Wenn der Putzdrachen allerdings meine Haustiere in Freiräume entlässt, die ihnen nicht zustehen, werde ich wirklich ärgerlich. Ich finde meine Papageien bei der Rückkehr ins traute Heim idealerweise im Käfig vor und nicht auf der Wohnzimmerlampe. Ich werde gerne von meinen Katzen schnurrend begrüßt und mag es gar nicht, wenn die Mietzen schreiend im Kleiderschrank eingesperrt oder auf der Terrasse ausgesperrt sind. Ich schätze es, wenn meine Meerschweine noch lebend im Gehege sitzen. Zumindest bis vor einem Jahr, als das letzte Schwein von uns gegangen ist, während ich nicht da war…

Bin ich auf Urlaub und meine Putzfrau macht abwechselnd mit meiner Nachbarin den Fütterungsdienst, kommt es schon mal vor, dass Frau V. Frau D. von nebenan aufgeregt anruft und mit vorwurfsvoller Stimme fragt: „Hast du Katzen aus de Wohnung genehmt?“ Oder mich der Anruf der Zweitbetreuerin in schwindelerregender Höhe auf einem schwankenden Sessellift ereilt, mit der wertvollen Information, dass drei Vögel am Käfig sitzen und der vierte nicht aufzufinden ist.

Damit nicht genug. Bilder werden nach Tagesverfassung umgehängt und zuletzt hat die Perle meine neue Grünlilie vom Kasten auf den Balkon verfrachtet, wobei es ihr schnurzpiepegal war, dass es sich dabei um eine Zimmerpflanze handelt und draußen Winter ist. Als Begründung führte sie an, dass da so viele DVDs herumlagen und die machen sich auf dem Kasten super. Das war der Moment als ich einen Schreikrampf bekam, für den ich mich auch jetzt noch nicht schäme.

Frau V. verwendet ohne Vorwarnung alle paar Monate unmotiviert Weichspüler, obwohl ich ihr hundert Mal gesagt habe, dass ich dagegen allergisch bin. Das verschimmelte Obst bleibt in der Schale unangetastet, das aktuelle Fernsehprogrammheft wandert regelmäßig ins Altpapier. Als der Spross noch klein war, war ich ständig auf der Suche nach den Kuscheltieren und wusste, ich würde es in diesem Leben nicht mehr schaffen, alle Putzfrauenverstecke für kleine, aber lebenswichtige Kängurus und Heffalumps ausfindig zu machen.

Um es zusammenfassend mit einem seufzenden Ohm zu sagen: Ich habe aufgegeben, gegen diese Widrigkeiten anzukämpfen, von denen mein Heim befallen ist.

Im Büro herrscht eine Putzfrauenkrise der anderen Art. Die dort waltende Perle empfängt mich morgens zumeist mit leidendem Gesicht auf der Sitzgarnitur im Vorzimmer mit Kaffee und Glimmstängel. Was Frau M. die zwei Stunden zuvor gemacht hat, von denen sie sich gerade erholen muss, entzieht sich meiner Fantasie. Sicher nicht den Boden aufgewaschen. Dafür sind an den verschiedenen Arbeitsplätzen nicht nur alle Bildschirme akribisch mit Opti eingelassen, sondern auch kleine handschriftliche Notizzettel verteilt, auf denen sie harsch, unfreundlich, aber bestimmt den dort sitzenden Mitarbeitern ihren Unmut kundtut und Anweisungen erteilt. Die lauten im O-Ton: „Es wäre schön, wenn Sie sich beim Essen Ihrer Leberkäsesemmel, wie jeder andere Mensch auch, über das Papier halten könnten!“ Oder etwa „Glauben Sie wirklich, ich trage dieses ganze Altpapier mit meinem kaputten Kreuz hinunter? Für Sie bestimmt nicht!“

Diese Zettel werden mir dann von mehr echauffiert als amüsierten Mitarbeitern erwartungsvoll unter die Nase gehalten und ich spüre ein Gefühl der Machtlosigkeit in mir hochsteigen.

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