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True Romance


Danke - Lili Bach Blog

Seit mehr als zwei Wochen kaue ich am Ohr der Romantik herum und was auch immer ich eigentlich sagen wollte, mir völlig entglitten und entgleist ist, ich fürchte ich könnte meine Gedankenfetzen noch hundert Jahre vor mir her spinnen, und es würde kein herzförmig geknüpfter Wandteppich werden. Was ich sagen will, ist wohl sorry, dass dies trotz so langer Wartezeit schon wieder kein amüsanter Lili-Blog wurde, sorry dass ich es gestern nicht wie gewohnt am Freitag über die Rampe gebracht habe, aber ich hatte etwas irgendwie Romantisches zu erledigen, das mir unendlich wichtig war. Sorry, falls es so scheinen mag, als würde ich mir anmaßen, die Weisheit über Romanzen gepachtet zu haben, was ich an mir und anderen gar nicht leiden kann, so sorry. Aber schließlich zahlt mir keiner einen Cent für meine Worte und ich leiste mir den Luxus der Ehrlichkeit. Ehrlich zu sein, wenn man ein Thema schon so lange ankündigt, ohne es oberflächlich lustig wegzuspülen, bedeutet mir mehr als alles Geld der Welt. Weil ich eine unsterbliche Romantikerin bin, weil ich Jane Austen, Mr. Darcy, True Romance, An Affair to Remember, Love actually, Schlaflos in Seattle, den Blaubeerkuchen, den Himmel auf Erden, das Licht und – ja in manchen Rollen auch – Til Schweiger liebe, und alles was dazu gehört. Es ist also alles in allem kein romantischer Text geworden, aber ein Plädoyer für Romanzen, für das Empire State Building, für die Liebe.

Mittwoch gibt es zumeist mit einem Bild eine Themenvorausschau für meinen Blog am Freitag. Ich gestehe, vorvergangenen Mittwoch hatte ich keinen Plan, nur ein Bild gepostet, welches eine Aussage von Quentin Tarantino transportiert, die ich vor einiger Zeit in einem meiner Titelbilder verpackt hatte: Wenn ihr Beziehungen überdrüssig seid, versucht es mit einer Romanze. Nicht schlecht eigentlich, um daraus einen Blog zu machen, oder? Wer von euch hat Beziehungen satt? Gott, aufhören, das hier, hier, hier Geschrei ist ja unerträglich und gehörverlustgefährdend. Und wer von euch hatte in den letzten Jahrzehnten eine Romanze, ohne sie gleich mit der Idee einer Beziehung zu killen? Hallo? Ist da jemand? Seid ihr alle schon eingeschlafen? Nein? Ja, ich verstehe…

Wir erleben keine Romanzen mehr. Wir haben dazu einfach nicht die Zeit. Wir haben verlernt, uns zu verlieben. Wir fürchten uns vor unseren Gefühlen. Wir denken mit dem Kopf, manchmal zu viel, manchmal zu wenig, mit dem Körper, nur mit dem Herzen denken wir nicht mehr. Wir konsumieren, aber wir leben nicht. Im aktuellen Zeit Magazin stellt die Autorin Khuê Pham fest, dass es im Online Supermarkt noch nie so leicht war, jemanden kennenzulernen. Und trotzdem scheint es schwerer denn je, die Liebe zu finden. Liegt das an den unbegrenzten Möglichkeiten? Tindern nach dem K.-o.-Prinzip. Dating-Apokalypse. Abschleppen statt Verführen. Schneller Sex statt großer Liebe. Und dann kommen selbstverliebte Männer wie Michael Nast, der einer ganzen Generation Beziehungsunfähigkeit attestiert, sich damit eine goldene Nase verdient und alle ratlos zurücklässt. Verschüchtert, verunsichert, verausgabt, verängstigt, verletzt, verunfallt, alles nur nicht vertrauensvoll. Damit kommen all jene noch gut über die Runden, die Dating als Sportart betreiben und sich auf der sicheren Seite halten. Doch was ist mit den Träumern? Was ist mit jenen, die daran glauben, dass die große Liebe des Lebens am Dach des Empire State Building wartet.

Zu meinem letzten Blog über Amanda, Fragen, Antworten und Vertrauen schrieb mir Leserin F: „Weil wir alle dieses Herzklopfen vor gewissen Fragen kennen. Nicht die Frage an sich ist es, die dies verursacht, sondern die Angst vor der Antwort, die man sich im Geiste wohl schon in hundert verschiedenen Versionen ausgemalt hat. Wie immer, ist das, was zuvor im Kopf an Bildern entsteht, genau der Grund, lieber gleich die Klappe zu halten, bevor man dumm dasteht, die falsche, nicht erhoffte Antwort bekommt und sich bis auf die Knochen blamiert ohne Mauseloch in der Nähe. Es sind die Albtraumversionen, die vieles gar nicht entstehen lassen, was vielleicht wunderschön geworden wäre...“

Danke für diese traurige Zusammenfassung eines weit verbreiteten Dilemmas. Drei Dinge sind der Tod der Anfänge epochaler Romanzen: Die Angst, desaströse Zukunftsvisionen und der Beziehungsoverkill.

Vieles entsteht nicht, weil wir warum auch immer nicht den Mut finden, den ersten Schritt zu gehen. Ein stimmiger Kommentar eines Lesers fasst anschaulich die Begegnung eines Augenblicks in der U-Bahn zusammen, die vorüberging, ohne dass er den Mut aufgebracht hätte, die Schönheit anzusprechen. Diese verpassten Momente sind es, denen wir ewig nachtrauern und die „was wäre wenn“ Frage in unserem schweren Herzen herumtragen. Die Angst der Ablehnung, des Versagens, des Scheiterns, der Enttäuschung. Dabei vergessen wir, dass alles, alles was wir jemals wollten, auf der anderen Seite der Angst liegt. Auch die Liebe.

Anderes lassen wir nicht entstehen, weil wir es bewusst verweigern. Weil wir zehn Jahre in die Zukunft denken und einen Trümmerhaufen vor uns sehen. Gott bewahre, warum sollten wir uns auf diese emotionale Müllhalde einlassen? End of Love Story.

Oder schlimmer noch, man denkt an eine gemeinsame Zukunft, doch die Wunschvorstellungen dazu schon werden so knapp diktiert, dass damit jeglicher Art von Beziehung von Anfang an die Luft zum Atmen und die Möglichkeit der Entfaltung genommen wird.

Die meisten Menschen haben im Laufe ihres Lebens verlernt, das andere oder auch das gleiche Geschlecht mit einer Unvoreingenommenheit kennen zu lernen, wie wir sie hatten, als wir noch siebzehn waren. Als wir noch offen waren, noch nicht enttäuscht worden waren, unser Herz noch nicht zu einem Flickwerk der Emotionen versteinert war. Natürlich führte das damals zu nichts Großem, doch wenn wir es schaffen, diese Herangehensweise unter partiellem Ausschluss unserer Lebenserfahrung mit unserer Hoffnung zu paaren, würden wir heute goldrichtig liegen. Haben wir uns früher die Frage gestellt, ob wir sie/ihn morgen oder in drei Monaten noch sehen, wir Kinder haben wollen und wie die Hochzeitsplanung im Detail aussehen soll? Nein. Um Gottes Willen, nein. Dieses Missverständnis ist erst viel später aufgekommen. True Romance. Nur ein Schlagwort, nicht mehr als ein Filmtitel?

True Romance ist zwar nur ein Film, selbst wenn dieser Film ein ganz wunderbarer ist. Mit einer der besten „I love you“ Szenen, die Hollywood hervorgebracht hat. In der es um den Glauben an die Liebe, das Gefühl das einzig richtige mit dem einzig richtigen Menschen zu tun und die Erkenntnis geht, dass Liebe alles ist, was im Leben zählt, und diese manchmal so hart zuschlagen kann, dass uns – wie Christian Slater alias Clarence – bewusst ist, dass wir sterben, wenn unser Glaube an die Liebe noch ein einziges Mal, diese eine besondere Mal, enttäuscht wird. Ein kleines Bisschen oder auch mehr. Niemand will gerne sterben. Es scheint daher eine vernünftige Überlebensstrategie, sich auf nichts und niemanden einzulassen. Nicht ein wenig und schon gar nicht mehr. Ja, das klingt logisch. Man schreitet glücklich mit sich selbst durch ein Single-Leben, schaut nicht links und nicht rechts und mutiert zum Weltklassesprinter, sobald an einer Wegkreuzung eine weibliche oder männliche Verunsicherung der Lebensphilosophie auftaucht. Weil mit schrillen Alarmglocken sofort dieses Schockwort „Beziehung“ in roter Leuchtschrift mit dem blinkenden Untertitel „kaputt“ aufpoppt und das will man doch nun bitte wirklich nicht. Bloß nicht. Nie wieder. Wer hat uns diesen Unsinn eigentlich eingeimpft, dass Liebe und Beziehung ein und dasselbe ist? Warum haben wir verlernt, uns erwartungslos zu verlieben? Wieso müssen wir immer alles in Schubladen einordnen? Die Welt ist ein verdammt unromantischer Ort geworden. Wenn man einen Menschen liebt, bedingungslos liebt, bleibt eine zwischenmenschliche Beziehung eine ewige Romanze. Liebe ist ein Gefühl und nicht der Beginn von Beitrittsverhandlungen zu einer Beziehungsunion, wo Grenzen abgesteckt und Konditionen festgeschrieben werden. Liebe fragt nicht nach Möglichkeiten, nach Wohnorten, Liebe will nicht wissen, wie oft man sich sieht, ob man einen Urlaub miteinander an einem Strand, in einer Metropole oder in der Antarktis verbringt, ob man gemeinsam oder getrennt lebt, wo man in fünf Jahren steht. Für die Liebe reicht es aus zu sein.

Damals, mit siebzehn, war die einzige Frage: Wie fühlt es sich an? Natürlich haben wir Menschen geküsst, und in der Sekunde gemerkt, dass es sich schal und flach, nach gar nichts anfühlt, und sind weitergegangen. Manchmal trotzdem ein Stück des Weges mit ihnen gegangen. Weil uns langweilig war, weil wir nicht alleine sein wollten, weil wir dachten, es wird sich ändern. Natürlich hat sich nichts geändert. Sicherlich haben wir auch jene geküsst, wo wir glaubten zu fühlen, dass es einzigartig ist. Für manche war das vielleicht von Dauer, für andere war es vielleicht der falsche Zeitpunkt, für viele nur ein Irrtum. Der Weg zur Liebe ist keine Einbahnstraße. Hört nicht auf Menschen zu küssen, die diesen Weg kreuzen, hört auf das Gefühl, vergesst alle unwichtigen Fragen. Lässt einen dieses Gefühl unwillkürlich lächeln, ohne Zögern die Schuhe ausziehen und am Rande eines Vulkans tanzen, fühlt es sich so an, als ob man in den Gedanken an einen Menschen ertrinkt, wenn man ihm nicht nahe sein kann, bleibt nur die eine Frage: wie weit gehst du barfuß für die Liebe deines Lebens?

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