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Katzenjammer


Katzenjammer - Lili Bach Blog

Als L angeschlagen in mein Boudoir taumelt, habe ich auf den ersten Blick wenig Hoffnung, es könnte sich ein entspannter Weibertratsch entspinnen und hole - die frühe Vormittagsstunde missachtend - vorsorglich eine Flasche Fucking Good Wine aus dem Reservoir für spezielle Notfälle.

„Er hat eine andere“, platzt die sonst so selbstbeherrschte Jongleurin des Businesswahnsinns mit der Tür in mein Haus, nachlässig adjustiert, kaum mehr als zwei Stunden Schlaf im Gesicht. „Was jetzt?“, mime ich Fassungslosigkeit, „Die Liebe deines Lebens? Der perfekte Mann, den Gott noch nicht erschaffen hat? Die Inkarnation der Glückseligkeit?“, kann ich nicht glauben, was mir L verheult taubennickend bestätigt, während sie das Glas verächtlich ignoriert und sich an der Flasche festklammert. „Er ist verliebt“, krächzt L, „Nicht in mich. Aber Scheiß hoch drei, nicht nur das, nein, er lässt durchklingen, dass er die traute Zweisamkeit mit der neuen Flamme in seiner Küche unserem kommenden Urlaub auf Hawaii vorzieht.“ „Und warum?“, versuche ich die Nachfrage vorsichtig abtastend auf den Punkt zu bringen. „Weil die verfluchte Tussi auch noch Bier mag. Hallo. Ich meine Bier. Er ist verliebt in eine Frau, die Bier sauft. Wie tief kann man denn bitte sinken?“, fiept L wie ein angeschossenes Reh. Wie sie hinter die Zweitbeziehung gekommen ist? Zufall? Nein, viel schlimmer. „Offen auf Facebook gepostet hat er die Liebeserklärung. Aber damit nicht Ende des Schlamassels. Nein, eingestreut noch die Andeutung, dass die Beste zwar etwas spooky ist, diesen Wesenszug aber sowieso alle Frauen an sich haben. Also auch ich. Das ist doch wirklich das Hinterletzte“, ist L am Rande ihrer Souveränität angelangt und ich reiche eine Schachtel Kleenex mit der Beteuerung, dass ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen kann. Ich täusche mich selten, und wenn, dann gewaltig. Sie muss ihre Brille verlegt und auf einer falschen Facebook Seite etwas gehörig falsch verstanden haben. „Nein, nein, da war nichts misszuverstehen“, stöhnt sie wie die schwindsüchtige Satine, „Er hatte sogar die Chuzpe, mich zu erwähnen, im gleichen Atemzug mit der Schlampe, und du wirst es nicht fassen, sich darüber zu freuen, dass sie ihm Bücher vorlesen wird, wenn er mal blind ist. Als ob meine rauchige Stimme dazu nicht gut genug wäre. Was für eine Beleidigung.“ Ich bin schockiert, was der Vollmond im Hirn einer Frau anrichten kann. So kann man sich nicht täuschen, so dämlich kann frau nicht sein. „Kränk dich nicht. Das sind nur verspielte Macho-Floskeln. Nimm das nicht zu ernst“, beruhige ich. „Ernsthaft? Da kennst du das Größte noch nicht. Spitz mal die Lauscher und lass dir das auf deiner spitzen Zungen zergehen: ‚Ich hatte noch nie eine so angenehme Mitbewohnerin.‘ Noch nie. Eine so angenehme Mitbewohnerin. Was bin ich? Mina Harker? Die Ausgeburt der Hölle? Was hat Dorothy Parker dazu zu sagen? Is there more of this fucking wine?“ Ich köpfe die nächste Flasche und fürchte mich vor der Antwort auf die Frage nach L’s fataler Erstreaktion. Ein Atommeiler kurz vor der Kernschmelze nimmt sich wie eine fröhlich zwitschernde Friedenstaube gegen ihren lodernden Glutblick aus. „Na was wohl? Dazu gibt es keine Worte, da muss man eisgekühlte Bilder sprechen lassen. How to tell if your cat is plotting to kill you. Und was kommt zurück: ‚Sie ist keine Katze und tut mir gut.‘ Ende der Fahnenstange. Da bleibt einer verletzten Raubkatze nur noch, eine Cruise Missile abzufeuern, den beiden Turteltauben das Beste zu wünschen und zu schweigen.“

Das war’s dann also, hat die Wahnsinnige ja echt gut hinbalanciert, denke ich frappiert und spreche es wohl laut aus. „Mitnichten. Da war noch... ach, da war... hach...“, seufzt L, „Er entschuldigt sich, wenn etwas mich verletzt hat, für die Blödelei, weiß zwar nicht, was falsch rüber gekommen sein kann, aber ich soll nicht bös sein, schreibt, er liebt mich, ruft mich an.“ „Und?“, will ich wissen und vermute, damit hat sich der Katzenjammer in Wohlgefallen aufgelöst, doch weit gefehlt. „Ich schweige“, tönt L, mit immer länger werdendem Schwanenhals, „Lange und störrisch wie ein Esel.“ Ich starre L. mit großen Augen wortlos an. Der Blick kommt nicht gut. Sie heult schon wieder. Der Hals schrumpft und dann schlagt sie ansatzlos mit dem Kopf auf der Tischkante auf und sagt leise im Brustton der Selbsterkenntnis: „Fuck.“ „Ich komm nicht mehr ganz mit, Schätzchen. Wer ist jetzt im Arsch? Und wer for heavens sake ist die bieraffine Schlampe?“ „Alexa, sie heißt Alexa. Sie könnte auch Amazon oder Computer heißen, aber nein, er nennt dem Vamp Alexa!“, würgt L den Brocken halberstickt aus der falschen Kehle hervor und kann sich dabei selbst nicht ausstehen. „L“, pfauche ich, „du willst mir jetzt nicht verklickern, dass du auf eine Cyberfrau eifersüchtig bist?“ „Ach, weißt du, Liebes, ich weiß ja, dass ich eine Idiotin bin, aber die Liebe und der Vollmond sind ein Hund, da galoppieren selbst die Besten von uns mit Anlauf gegen eine imaginäre Betonwand. Kannst du mich bitte schallend ohrfeigen?“, verlangt L. die Peitsche. Oder heischt sie nur nach Trost und Vergebung? Da ist die Gute bei mir am falschen Dampfer.

„Ach, meine Süße“, zische ich schonungslos, „du verdirbst mit deiner Wortklauberei einem Mann die Freude an seinem technischen Spielzeug? Du bist eine Schande unserer Art. Schläge wären zu gut für dich. Man sollte dir die Gucci Stilettos wegnehmen und dich nackt im dunkelsten Wald aussetzen, wo du dich drei Tage lang von schleimigen Kriechtieren ernähren musst, wie ein Kannibale von seinesgleichen, oder wie einen räudigen Werwolf in einen Elektrostacheldrahtkäfig sperren oder als Hexe auf kleiner Flamme rösten.“ L schnaubt in ein Taschentuch und nickt betropetzt. Fast, aber nur fast, könnte sie einem leidtun, wie sie da in ihrer hilflosen Verzweiflung über sich und die Welt vor mir ganz und gar undivenhaft das Abbild des Elends gibt und mich nach teurem Rat heischend erwartungsvoll ansieht. „Du blonde Dumpfbacke wirst jetzt zehn Ave-Maria herunterbeten und mit einer dornigen Rose zwischen den Zähnen auf Knien vor die Wohnungstür des Mannes zu Kreuze kriechen“, befehle ich dominastreng. „Il y a une fleur…“, schluchzt L geläutert, kritzelt mit eigenblutroter Tinte eine Weisheit von Rilke über die Liebe auf eine Versöhnungspostkarte und macht sich handzahm vom Acker der Grenzblödheit.

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