Babel auf Balkonien
Ich bin ein friedfertiger Mensch und ich mag multikulturelle Gesellschaften. Im Kaffeehaus. In der U-Bahn. In der Innenstadt. In New York. Überall. Ansonsten mag ich meine Ruhe am Stadtrand, vor allem Freitag abends, wenn ich in der Idylle meines Balkons einen Blog über eine herrliche Woche am Meer schreiben will. Über das Foto von diesem Sonnenaufgang und was der Hund damit zu tun hat, wollte ich erzählen, über die Magie eines Ortes, der so entsetzlich schiarch ist, dass er schon wieder schön ist. Seit drei Stunden bemühe ich mich redlich, sinnvolle Worte aneinanderzureihen. Möglichst amüsant und mit Esprit. Es will nicht gelingen. In der Garage unter mir findet nämlich eines der konspirativen Treffen der Motorradgang statt, also von fünf türkischsprachigen Männern, die Campingstühle aufgestellt haben, und vermutlich über Allah und blöde Bloggerinnen diskutieren. Es ist mir grundsätzlich egal, worüber und welche Sprache sie sprechen, nur Englisch, Französisch oder Italienisch könnte ich wenigstens verstehen. Es könnte mich inspirieren. Doch das laute Einheitsbreikauderwelsch, das so klingt, als schiebt einer seinen Döner samt Spieß von der rechten in die linke Backe und verschluckt sich permanent dabei, das geht einfach gar nicht. Das ist ein Hirnweichspüler. Sogar auf einem marokkanischen Bazar könnte ich mich besser konzentrieren. Heute wird das leider nichts mehr mit einem Meeresrauschen. Mein Kopf ist zugedröhnt von atonalen Brocken. Das einzige Wort, das ich verstanden habe ist „depperti“. Scheinbar heißt deppert auf Türkisch dasselbe wie auf Deutsch, nur mit einem i hinten dran. Mein Kater hockt da wie der Hausmeister vom Dienst, und starrt fasziniert durch den Spalt des Balkongeländers hinunter. Ich bin mir nicht sicher, ob er Türkisch versteht. Jedenfalls ist er ungefähr so frustrationstolerant wie ich, denn er braucht über eine Stunde, bis er aus Verzweiflung die neben ihm stehende Gießkanne umreißt und Wasser in Richtung des Gebrabbels schüttet. Das wäre mir nie eingefallen. Es spricht für die Intelligenz des Katers.
Als ich nach Hause komme, finde ich übrigens den Kater im Wohnzimmer eingesperrt vor, von wo aus er durch die Glastüre die Katze im Vorzimmer fixiert. Eben entschuldigt sich meine Putzfee per WhatsApp, die den Auftrag hat, die Katzen jedenfalls aus dem Wohnzimmer auszusperren, wenn niemand zu Hause ist, bis die Tiere die neue Couch nicht mehr als Eindringling betrachten und vernichten wollen, für das Versehen. Es ist überhaupt ein komischer Tag. Die wochenlang erwarteten Sessel für den Esstisch (die alten haben die Katzen zur Sau gemacht) sind zwar da, als ich nach Hause komme, doch ich kann mich nicht erinnern, dermaßen benebelt gewesen zu sein, dass ich sie in dieser Farbe bestellt hätte und ich kann mich genau erinnern, dass ich acht Stück wollte. Sechs sind gekommen. Immerhin. Und ich habe einen neuen Laptop. Auf dem schreibt es sich sehr beschwingt. Der alte wurde im Urlaub das Opfer eines Regengusses am Balkon, während ich im Bad duschte. Genauso gut hätte ich das Teil unter die Dusche mitnehmen können. Das Ergebnis wäre dasselbe gewesen. Wie auch immer. Ich brauche einen geräuschfreien Balkon für einen freien Kopf. Was mache ich jetzt mit dem angebrochenen türkischen Abend? Mich vom Balkon stürzen? Zu radikal. Ich könnte eine flüssige Schokotorte mit einer Prise Valium backen und mich darin ertränken.