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Der Weihnachtshund


Der Weihnachtshund (Edgar) - Lili Bach Blog

Was ist Liebe? Schicksal? Was Zufall? Was hat das mit Weihnachten zu tun? Sehr viel. Alles. Manchmal.

Schicksal ist, sich against all odds zu finden und zu wissen, dass man gefunden hat, was man in diesem Leben nicht mehr zu finden glaubte. Schicksal ist die Kraft, den Zufall einen blöden Hund zu heißen. Schicksal ist Bestimmung. Das Schicksal reißt alle Mauern ein, die wir um uns errichtet haben, lässt uns verzweifeln, vertrauen und den Glauben an die Liebe wiederfinden. Es lässt uns das Licht sehen, das unsichtbar bleibt. Das Schicksal – so sagt der Name – schickt uns Menschen, manchmal auch Tiere, die in dem Moment etwas brauchen und die wir auf die eine oder andere Art heilen können, die wir und sie damit unsere Seele retten.

In neun Tagen ist Weihnachten. Die schönste Zeit ist jene vor Weihnachten. Wenn man sie zu nutzen und zu genießen weiß. Das konnte ich lange nicht. Ganz ehrlich: woran denkt ihr, wenn im November die ersten Zaunpfähle in den Supermärkten winken? Dass das Karussell sich wieder dreht? „Es geht wieder los“? oder "Sollte ich nächstes Jahr vielleicht schon zu Ostern Weihnachtsgeschenke besorgen“? oder „Die fangen wirklich jedes Jahr noch früher an"? oder „Fuck, just another lonely Christmas“? Gibt es da bei euch ein sich Einlassen auf das Wunder der Weihnachtszeit? Auf die Zeit, in der Love actually is all around? Bei mir war da lange Zeit rundherum nichts mehr. Bis eines Tages das Schicksal ohne Vorwarnung Hallo sagte. Und jetzt, 500 Tage später, steht Weihnachten vor der Tür. Ein zweites gemeinsames Weihnachten. Seitdem mag ich den Advent wieder. Höre in mich und andere. Habe meine bedachten Geschenke schon fix fertig verpackt und hetzte nicht erst am 23. Dezember planlos durch die Stadt. Die "Ruhige Zeit" ist es nicht mehr für alle und für niemanden ständig, aber man kann das schon selber gestalten.

Auch in der warmen Jahreszeit sitze ich gerne auf dem Balkon und genieße den einen oder anderen Sonnenaufgang oder Untergang, den einen oder anderen Latte Macchiato oder Aperol Spritz. Ich mag Wärme, ich liebe Sonnenuntergänge, aber ein Sonnenaufgang, wenn es gerade noch finster war, wenn Matisse mit seiner Straßenlaterne von Gegenüber grüßt, eine heiße Tasse in der Hand und vielleicht noch ein paar kullernde Schneeflocken (mein Gott war der erste Schnee in diesem Jahr schön!): das kann was.

Natürlich ist das mit dem Advent ein wenig komplizierter, wenn man nachmittags im Stau steht oder inmitten Gepeinigter und Gehetzter landet, die am Durchdrehen sind. Die kriegen es halt nicht hin. Ich auch nicht immer, aber immer mehr, und ich hoffe, ihr bleibt entspannt. Ich kriege es besser hin, seit mir das Schicksal einen Menschen geschenkt hat, der am 23. Dezember nachmittags in ein Shopping Center geht, sich den finalen Irrsinn aus nächster Nähe gibt, zusieht, wie Familien auseinanderfallen und Ehen zerbrechen unter dem Stress, die perfekte Show inszenieren zu wollen, wo der Gleichklang des sich Aneinanderlehnens schon lange abhanden gekommen ist, und dann dort bleibt, wenn die Geschäfte schließen, die Rollläden runterrasseln, wenn die Verkäuferinnen sichtlich aufatmen, die Securities sich ein Gläschen gönnen, der Barista eine Zigarette, wenn die Parkplätze sich leeren und alles wirklich leise wird. Dann ist für ihn der Sinn des Festes spürbar, mehr noch als am Tag danach.

Was diese Zeit für manche schwierig macht, ist, dass ausgerechnet jene, die am weitesten davon entfernt zu sein scheinen, am stärksten spüren, worum es eigentlich geht: um Liebe. Zumindest um nicht mehr und nicht weniger als um eine ganz große Erzählung, in der es vor allem um Liebe geht. Vielleicht um mehr, vielleicht darum, was in ihr steht.

Und dann sind es die, die jemanden verloren haben, die wieder niemanden gefunden haben, die gerade in jener Nacht, wenn alle Fenster festlich erleuchtet sind und dahinter manchmal doch noch Friede eingekehrt ist, am deutlichsten mitkriegen, was wir da feiern, woran wir denken sollten. Die leiden dann wie Hunde, wie man so sagt. Und genau dazu will ich euch heute etwas empfehlen, jedenfalls jenen unter euch, die noch nicht in der Community von HONY sind (den anderen brauche ich das nicht mehr ans Herz zu legen, es ist schon dort): Humans of New York.

Dort schreibt (und filmt) ein junger Mann seit ein paar Jahren Geschichten, die ihm erzählt werden und von den Menschen, die sie ihm erzählen. Ein paar Sätze, die ihm Fremde anvertrauen, und hinter denen Schicksale sichtbar werden, die unglaublich sind, obwohl sie wohl einfach das abbilden, was im ganz normalen Wahnsinn des Alltags passiert, Tag für Tag und Leben für Leben.

Diese Geschichte in HONY handelt von einer jungen Frau, die vor kurzem alles verloren hat. Wie sie dann jemanden rettet, der zu ihrem Retter wird, das ist auch so eine große kleine Geschichte, die das Schicksal schreibt. In der ich meinen Lebenshund Edgar wiedersehe, den, der mich so lange davor bewahrt hat, verloren zu gehen, bevor er vor zwei Weihnachten in menschlicher Gestalt zurückkam, durch Zufall oder viel eher vom Schicksal in meine Richtung geweht, um mich im Hier und auch im Dort zu halten.

Unter diesen Geschichten der Humans of New York gibt es dann Postings. Immer. Zehntausende. Es ist DER Ort im Internet, an dem man noch Postings lesen soll. Wo sich der Glaube an die Menschheit wieder einstellt.

Das erste Posting unter diesem Beitrag ist die Aufnahme einer Überwachungskamera. Eine unbedeutende Momentaufnahme, die alles sagt über einen Menschen, der einer Person alles bedeutet hat.

Darunter hat jemand geschrieben: "The store giving her this video is hands down the best thing I have ever seen reported on the internet. Locals, find out what bodega this is and give them all your money."

Wem heuer noch nicht weihnachtlich zumute war, der sollte das sehen und lesen. Vielleicht wird dann ein kleines Sich-Räuspern unvermeidlich, vielleicht auch ein Taschentuch. Aber das tut gut. Es ist nämlich die Zeit für sowas.

Humans of New York

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